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MDR-Thriller "Zorn" MDR-Thriller "Zorn": Hart aber hallisch

Von Steffen Könau 21.03.2014, 07:49
Axel Ranisch ist der dicke Schröder (li.), Mišel Maticevic spielt den Hauptkommissar Claudius Zorn.
Axel Ranisch ist der dicke Schröder (li.), Mišel Maticevic spielt den Hauptkommissar Claudius Zorn. MDR Lizenz

Halle (Saale)/MZ - Es regnet und der Held raucht. Außerdem fährt er Auto und telefoniert dabei. Als ihn eine Streife stoppt, mitten auf der halleschen Hochstraße, schaut Hauptkommissar Claudius Zorn mitleidig auf den pitschnassen Kollegen auf der Straße. „Wir haben beide einen beschissenen Job“, sagt er, „den müssen wir uns doch nicht gegenseitig noch beschissener machen, oder?“ Doch, findet der Uniformierte. Und bekommt von Zorn, der einfach aufs Gas tritt, den ausgestreckten Mittelfinger gezeigt.

Knapp und knallig

Eine Schlüsselszene, die am Anfang des „Tod und Regen“ genannten ersten Films nach Motiven der erfolgreichen „Zorn“-Thrillerreihe des halleschen Autors Stephan Ludwig steht. Sie klärt die Grundlinie knapp und knallig. Dieser Ermittler, weniger gespielt als verkörpert vom Berliner Schauspieler Mišel Maticevic, ist kantiger als der „Polizeiruf“ erlaubt und mürrischer als jeder „Tatort“ gestatten würde. Er tut seine Arbeit widerwillig, er hadert, er qualmt, er langweilt sich, parkt chaotisch ein und macht immer pünktlich Feierabend, weil er seinen Job eigentlich hasst. Sein Assistent Schröder hingegen - von Axel Reinisch buchstabengenau als getreuer Sancho Pansa seines Ritters voller Fehler und dienstlicher Tadel dargestellt - ist eifrig, klug und bemüht, die Fehler auszubügeln, die seinem Chef bei den Ermittlungen im Fall einer brutal ermordeten jungen Frau unterlaufen.

Eine Konstellation, die schon die bisher drei Bücher der „Zorn“-Reihe zu Überraschungserfolgen machte: Harter Thrillerstoff, starke, weil schräge Charaktere und ein galliger Humor, der unter dem rasanten Geschehen eine zweite, selbstironische Ebene eröffnet. Stephan Ludwig, hauptberuflich Betreiber eines Tonstudios in Halle, hatte vor dem ersten „Zorn“ noch nie ein Buch geschrieben - und er gleicht nicht nur damit dem Schweden Stieg Larsson, der mit seiner „Millennium“-Trilogie aus dem Nichts kam und das Thrillergenre neu definierte.

Dem von Regisseur Mark Schlichter („Schimanski“) gedrehten ersten „Zorn“ könnte ähnliches für das deutsche Fernseh-Verbrechen gelingen. Hier, wo die Kommissare oft nette Kerle sind, die mit sauberen Fingern für das Gute streiten, wirken Zorn und Schröder und ihre von der Ex-Bloggerin Katrin Bauerfeind wunderbar gespielte Verbündete Hannah Saborowski wohltuend unkorrekt.

Halle, zuletzt gebeutelt von „Tatort“- und „Polizeiruf“-Verlust, liefert dazu die passenden Kulissen: Zwischen Plattenbau, sanierten Baudenkmalen und malerischen Ruinen folgt das Trio den von Dauerregen und amtlicher Vertuschung verwischten Spuren des Mörders, der seiner ersten Tat bald eine zweite und schließlich noch etliche weitere folgen lässt. Es fließt viel Blut, doch die Grausamkeiten werden nicht ausgestellt, sondern so angedeutet, dass der Zuschauer die Bilder im Kopf fertigdenken muss. Es gibt Messer, aber keine Schnitte, Schüsse, aber keine Einschläge. Auch hier wirkt die schwedische Schule, Thrill und Spannung nicht zu plakatieren, sondern zu induzieren.

Das waren zwei nette, sehr sympathische Herren. Ich hab denen immer gern zugesehen. Sie haben sich ihren Ruhestand redlich verdient.

Ich fürchte, nichts. Zorn ist ein cholerischer Faulpelz, mit dem möchte ich auch gar nix gemeinsam haben. Bei Schröder ist das natürlich anders, das ist ja ein lustiger, kluger und warmherziger Zeitgenosse. Wenn ich mir wiederum sein Äußeres betrachte, bin ich ganz froh, dass ich diesem kleinen, pummeligen Kerl nicht ähnlich bin.

Nun ja. Einerseits ist die Marktkirche ein ziemlich bekanntes Gebäude, ein Wahrzeichen, wesentlich bekannter als der Gasometer und definitiv ein besserer Aufbewahrungsort für Luthers Totenmaske. Andererseits steht die Marktkirche schief, müsste irgendwann saniert werden, auch der Unterhalt für ein solches Gebäude ist ja nicht ohne. Dazu kommt, dass es in Halle relativ viele Kirchen und meines Wissens nach nur einen Gasometer gibt. Eine schwierige Frage also, sehr schwierig.

Das kommt auf die Jahreszeit an. Im Frühjahr sollte man die tiefer gelegenen Gebiete meiden.

Hab ich das jemals behauptet?

Halle ist dabei stets erkennbar, zumindest für die, denen die Stadt nicht fremd ist. Der Uniring und das Stadtbad, die Papiermühle an der Saale, das hochaufragende frühere BMK-Hochhaus, sie bilden eine Bühne, auf der der „Tatort“-erfahrene nt-Schauspieler Martin Reik, Anian Zoller („Gefährten“) als zwielichtiger Staatsanwalt, Thorsten Merten („Der Turm“) als Kneipenwirt und Lucas Gregorowicz („Unsere Mütter, unsere Väter“) ein Krimi-Kammerspiel darbieten, das mehr an schwedische TV-Thriller Marke „Wallander“ erinnert als an deutsche Krimi-Kost aus der „Polizeiruf“-Fabrik.

Der große Bogen

Der Film, im Herbst letzten Jahres abgedreht und in Rekordzeit fertigproduziert, ist allerdings keine 1:1-Übersetzung des ersten Bandes. Zusammen mit Regisseur Schlichter hat Ludwig die komplexere Handlung gestrafft. Das ist gelungen, ohne dass seine Geschichte dabei an Kraft verliert. Der große Bogen, den die Vorlage bis hinunter in den Kosovo beschreibt, findet sich in den 90 Filmminuten kleiner gespannt. Alle Ereignisse spielen nun in halleschen Straßen, die Produzent Jens Körner und Kameramann Benedict Neuenfels („Anonyma“) um alle warmen Farbwerte bereinigt zeigen.

Fans des Buches, das seit dem Erscheinen vor zwei Jahren sagenhafte sechs Auflagen erlebt hat, werden einige Nebenstränge vermissen, die, so sagt MDR-Redakteurin Stefanie Dörner, in der Verfilmung nicht unterzubringen waren. Das große Finale etwa, bei dem halb Halle im Wasser versinkt, habe die Dimensionen der Produktion überfordert. „Das ist ja Hollywood.“ Auch die Hauptpersonen entsprechen ihren Buch-Vorbildern nicht immer - auch im Aussehen.

Stephan Ludwig selbst hat kein Problem damit, dass aus seinem restrothaarigen Zwerg Schröder mit Axel Ranisch ein korpulenter, großer Mann mit kompletter Frisur geworden ist. „Wir haben Leute gecastet, die Schröder äußerlich mehr glichen“, erzählt er, „aber als Axel Ranisch einen Satz gesagt hatte, wusste ich, der ist es, der muss das spielen.“ Tut er, und auf eine Weise, die auf die filmische Umsetzung der in den „Zorn“-Teilen zwei und drei beschriebenen Entwicklung des anfangs bizarr scheinenden Charakters gespannt macht.

Doch wird es einen weiteren „Zorn“-Film geben? Das hängt von den Quoten ab, die das Debüt von Deutschlands liebenswertestem Widerling in Kripo-Lederjacke bei der Erstausstrahlung am 8. Mai in der ARD erzielt.

An den Vorlagen soll es nicht scheitern - „Zorn“-Buch Nummer vier erscheint im Herbst.