Max Hoelz Max Hoelz: Barrikade im Moskauer Hotelzimmer
Halle/MZ. - Max Hoelz jedenfalls ist ganz beschwipst. Im August 1929 steht der 39-Jährige in Sotschi am Schwarzen Meer: "Feigen, Zitronen, Bananenbäume", notiert er im Tagebuch. "Herrliche Palmen. Der Ausblick aufs Meer ist wundervoll, ich bin wie berauscht, habe sofort im Meer gebadet. Es ist das erste Mal in meinem Leben, daß ich im Meer baden kann. Ich bin froh, daß ich ein paar Wochen ausruhen kann."
Aus diesen Wochen sollen vier Jahre werden - die letzten im Leben des Bürger- und Kaderschrecks aus Moritz bei Riesa in Sachsen. Hoelz, KPDler seit 1919 und Abgott der revolutionären Jugend der Weimarer Republik, ein Mann des Terrors von links, der 1920 mit seiner "Roten Garde" von Schloss Falkenstein aus das Vogtland in Schach hielt.
Alles für den Körper
1921 zu lebenslangem Zuchthaus verurteilt, wird Max Hoelz 1928 begnadigt. Sein Erinnerungsbuch "Vom Weißen Kreuz zur Roten Fahne" (1929) avanciert zum Bestseller, dessen Fortsetzung dieser Tage erscheint: die Tagebücher des Aufenthaltes in der Sowjetunion von 1929 an, von Ulla Plener aus SED-Archiven ans Licht gebracht.
Man hat in diesen Notizen den Kraftburschen ganz, der Hoelz gewesen ist: täglich die im Zuchthaus antrainierte "Ganzwaschung" samt Gymnastik und genauso automatisiert die Einteilung der Linken in "Sozialfaschisten" (die Sozialdemokraten), Kommunisten und deren Abweichler ("rechte Schweine"). Als Hoelz seinem Verleger Wieland Herzfelde einmal bestätigte, dass der zu Letzteren ja nicht gehöre, reagierte dieser gereizt: "Wäre ich ein Rechter, wäre ich noch lange kein Schwein". Solche Etiketten würden den Verkehr von Menschen "verbittern und vergröbern". Was damit gemeint war, sollte Max Hoelz in Moskau noch begreifen.
Thälmanns Schuhputzer
Denn so frohgemut, wie er im Sommer 1929 nach Russland gezogen ist, um sich von den Haftfolgen zu erholen und weltanschaulich zu rüsten, so verzweifelt wird Hoelz vier Jahre darauf als "der einzige Arbeitslose in der Sowjetunion" in seinem Moskauer Hotelzimmer sitzen. Er gilt sehr bald neu als der "Skandalist" und "Anarchist", der er einmal gewesen ist. Die Russen neiden ihm seinen Ruhm - Fabriken, Schulen, Kindergärten werden nach ihm benannt -, den deutschen Genossen gilt er als Nervensäge und unsicherer Kantonist.
Auf die Frage von Hoelz, ob er dem KPD-Chef Thälmann irgendwie behilflich sein könnte, antwortete dieser 1930 in Moskau: "Ja, Du kannst mir meine Schuhe putzen". In Russland störte Hoelz, nach Deutschland wollte man ihn nicht ausreisen lassen, weil befürchtet wurde, dass er zu den Gegnern überlaufen könnte. Im Mai 1933 verbarrikadiert sich Hoelz in seinem Hotelzimmer, um eine Lösung seines "Falles" zu erzwingen: "Mit Patronen bin ich gut versorgt, außerdem habe ich für alle Fälle Brennspiritus und Benzin".
Stalin - von dem Hoelz sagt: "diesen einfachen, natürlichen Burschen muß man gern haben" - hilft nicht. Am 16. September 1933 schließlich wird Hoelz tot aus dem Fluss Oka gezogen, 43 Jahre alt. Mord- oder Todesfall? 1929 schrieb Hoelz über seine Tage am Schwarzen Meer: "Wenn ich ersoffen wäre, hätte die ganze blöde Vorwärtsbande (...) geschrien, Stalin und die GPU haben mich umgebracht." Das Tagebuch zeigt nur das: Den Geheimdienst hätte es dazu nicht gebraucht. Die ideellen und körperlichen Kräfte des Dynamikers Hoelz waren 1933 längst erschöpft.