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Matthias Brenner Matthias Brenner: Intendant des halleschen Schauspiels feiert 60. Geburtstag

Von Andreas Montag 09.09.2017, 10:29
Matthias Brenner, ein Thüringer aus Berlin in Halle, auf dem Dach seines Neuen Theaters.
Matthias Brenner, ein Thüringer aus Berlin in Halle, auf dem Dach seines Neuen Theaters. Günter Bauer

Halle (Saale) - Dieser Mann ist kein Leichtgewicht, in jeder Hinsicht. Und den weht deshalb auch nicht so leicht etwas um. Dabei hat er eine dünne Haut, die braucht er auch in seinem Beruf. Mit allen Sinnen muss ein Schauspieler und Regisseur seiner Zeit und vor allem den Menschen nahe sein - auf und vor und hinter der Bühne.

Und wenn er ein Stadttheater leitet, braucht er diese Fähigkeit erst recht. Damit der Betrieb nicht nur läuft, sondern Funken schlägt in Herzen und Hirnen.

Matthias Brenner gelingt das mit aller Leidenschaft. Wenn er auf der Dachterrasse seines Hauses, des Neuen Theaters Halle, steht, blickt er über die Stadt und sieht sich mit seiner Arbeit als einen Teil von ihr. Da ist viel Liebe im Spiel, das rechnet man ihm an. 

Matthias Brenner wird 60: Großes Fest mit Verwandten, Kollegen und Freunden

Und so ist es auch nur normal für Brenner, dass er seinen 60. Geburtstag, der am Sonntag fällig ist, eben nicht in Berlin, wo er auch wohnt, sondern in Halle feiert. „Hier ist jetzt der Mittelpunkt meines Lebens“, sagt er.

Die Feier, ein großes Fest mit Verwandten, Kollegen und Freunden - sämtlich Menschen, die ihm nahe stehen, ist dabei durchaus ein Sonderfall. Eigentlich, sagt Brenner, macht er sich nichts aus Geburtstagen. Wenn es jemanden zu feiern gälte, dann wäre es die Mutter, der man das Geborensein dankt.

Aber ein „60.“ ist doch noch mal ein Sonderfall, eine Zäsur, die heute freilich etwas anderes bedeutet als noch vor wenigen Jahrzehnten, als die damalige Vätergeneration solche Jubiläen beging. Damals roch die Sechs vor der Null doch sehr nach Ruhestand und allmählichem Rückzug aus der Teilhabe.

Brenner ist ein Theaterverrückter, der nebenbei noch schreibt und schauspielert

Davon ist heute keine Rede mehr, bei Matthias Brenner sowieso nicht. Den Theaterverrückten, der neben seinem Hauptgeschäft am Neuen Theater auch noch schreibt und Filmrollen spielt, kann man sich wahrhaftig nicht als Frühpensionär vorstellen - es sei denn, dieser Part wäre auf der Bühne zu besetzen.

Und bei allem hat er viel Wärme übrig für jene, die ihm anvertraut sind. Wer erlebt hat, wie er im Sommer zum Ende der letzten Spielzeit die jungen Frauen und Männer des Schauspielstudios verabschiedete, hat sehen und spüren können, was das große, fremd klingende Wort Empathie bedeutet: etwas sehr Schönes.

Brenner versöhnte sein Theater mit der Stadt Halle und seinem Vorvorgänger Peter Sodann

Aber der hallesche Schauspielchef hat es auch geschafft, das Haus, die Stadt Halle und Peter Sodann, seinen Vorvorgänger im Amt, miteinander zu versöhnen. Die Feier am 1. Juni 2016 im Großen Saal zum 80. Geburtstag von Sodann, dem Gründer der Kulturinsel, auf der Brenner nun wohnt und die er im lebendigsten Sinne als Erbe annimmt, ist ein schönes Fest gewesen: angemessen würdig, unvermeidlich rührend und ohne jede Verlogenheit.

So soll es nun auch bei Brenners Fest zugehen, wenn er vom Samstagabend in den Sonntag feiert - im Neuen Theater, wo sonst. Da wird gewiss auch über Gegenwärtiges zu reden sein, aber eine Nacht großer finanz- und strukturpolitischer Streitgespräche, derer es jüngst nicht wenige gab mit Blick auf die Zukunft der halleschen Bühnen, steht wohl nicht zu erwarten. Da fordert der Anlass dann auch die Heiterkeit, für die Brenner selbst, bei allem Scharfblick auf das Gesellschaftliche, mit ganzer Person steht.

Als nächstes steht die Premiere von Friedrich Hebbels Drama „Die Nibelungen“ am 22. September an

Nicht zuletzt wird es mit alten Weggefährten auch darum gehen, ein Arbeitsleben in Erinnerung zu rufen, wie man es bei Anlässen dieser Art zu Recht erwartet. Danach kann es weitergehen, Brenner ist gerade in vollem Lauf, um mit seinem Ensemble für die Premiere von Friedrich Hebbels Drama „Die Nibelungen“ zu proben, die am 22. September stattfinden wird und gefeiert werden soll.

Dass es Matthias Brenner auf die Bühne ziehen musste, scheint jedem klar zu sein, der seine Kurzbiografie liest: Geboren am 10. September im thüringischen Meiningen als Sohn eines Schauspielers, frühe Theaterübungen. Klar, sagt man sich, was denn sonst. Stimmt aber gar nicht so ganz, wie der Jubilar sagt: „Ich bin ein Kind des Kinos“.

Matthias Brenner ist ein Kind des Kinos

Tatsächlich hat er mit seiner Mutter und zwei älteren Schwestern praktisch im Kino gewohnt, die Filmstars waren es, die ihn zuerst für die darstellende Kunst begeisterten: „Ich wollte, wie alle Jungen in dem Alter, ein Held werden.“

Dann hat er aber doch erst einmal eine Berufsausbildung mit Abitur absolviert und lernte im Jagdwaffen- und Fahrzeugwerk Suhl. Es folgten der Armeedienst und das Studium an der Berliner Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“. Berlin war eine Erweckung für ihn: die Ausbildung sowieso, die vergleichsweise Freiheit an der Hochschule im unfreien Land - und die Stadt selbst! 

1986 trat Brenner aus der SED aus

Trotzdem ist Brenner dann erst einmal nach Annaberg-Buchholz gegangen, dem ersten Engagement folgte das zweite, prägende am Schauspiel Erfurt. Dort ist er, nicht als Widerständler, aber als skrupulöser Widersprecher, 1986 aus der SED ausgetreten. Die Erziehung zur Aufrichtigkeit hat er zu Hause mitbekommen, was Brenner seiner Mutter besonders anrechnet.

In Erfurt durfte er trotz des Abschieds von der Staatspartei weiterarbeiten, was auch keine Alltäglichkeit ist. Dann ging es weiter über zahlreiche feste und freie Stationen - bis er schließlich 2011 Intendant am Neuen Theater in Halle wurde. Die Kollegen wollten ihn, die Stadt wollte ihn - er hatte große Lust auf den Job. Und, was das Schönste ist: Bis heute hat offenbar keine der Parteien diese Entscheidung bereut. (mz)