Martin Scorsese Martin Scorsese: Filmgenie ohne Oscar-Trophäe

New York/dpa. - Einen Oscar hat er noch nicht gewonnen, doch seine Filme zählen fraglos zu den besten des amerikanischen Kinos. Regisseur Martin Scorsese, der mit Steven Spielberg, Francis Ford Coppola und George Lucas in den 70er Jahren das «New Hollywood» verkörperte, feiert an diesem Sonntag (17. November) seinen 60. Geburtstag.
Es ist ein zwiespältiges Jahr für den geachteten Autorenfilmer, der durch sein jüngstes Projekt «Gangs of New York» in die Schlagzeilen geraten ist. Mit einem geschätzten Budget von mehr als 100 Millionen Dollar ist das Historien-Epos über den Überlebenskampf irischer Einwanderer im New York des 19. Jahrhunderts Scorseses teuerster Film.
Der aufwendige Streifen mit Leonardo DiCaprio in der Hauptrolle sollte bereits im vergangenen Winter in die Kinos kommen. Doch langwierige Dreharbeiten, ein teurer Nachdreh für ein neues Ende und ein langes Hin und Her zwischen Regisseur und Studio verzögerten den Starttermin immer wieder. Als neues Datum wurde zuletzt der 20. Dezember genannt, doch viele zweifeln immer noch, ob der Film überhaupt schon fertig geschnitten ist. Mit einer 20-minütigen Kostprobe erntete Scorsese im Frühjahr in Cannes großen Applaus.
Mit der dramatischen Geschichte vom Kampf armer Einwanderer um den «amerikanischen Traum» dürfte sich Scorsese wohl problemlos identifiziert haben. Er wurde 1942 als Sohn sizilianischer Arbeiter geboren und wuchs im New Yorker Italienerviertel «Little Italy» auf. Er litt an starkem Asthma und entdeckte dank der angeschlagenen Gesundheit seine Liebe zum Film. Nach zwei Jahren in einem Priesterseminar entschied er sich für ein Studium der Filmwissenschaften und arbeitete nebenher als Cutter und Regieassistent.
Mit «Hexenkessel», einer Milieustudie über das harte Leben in den Straßen von New York, erntete Scorsese 1973 Lob von der Kritik. Zu diesem Zeitpunkt begann auch eine enge Zusammenarbeit mit dem Schauspieler Robert De Niro, mit dem er 1976 «Taxi Driver» drehte. Die Geschichte des verbitterten Vietnamkämpfers brachte Scorsese die «Goldene Palme» in Cannes ein. Seine typische Handschrift, brillante Bildideen und eine ungewöhnliche Kameraführung waren schon in den frühen Werken zu erkennen.
Mit dem Box-Drama «Wie ein wilder Stier» holte Scorsese sich 1980 die erste von sieben Oscar-Nominierungen als bester Regisseur. De Niro gewann in der Rolle des Boxers die begehrte Trophäe. «Die Farbe des Geldes» war ein weiterer Hit von Scorsese, die seinem Hauptdarsteller Paul Newman 1986 den ersten Oscar einbrachte. Den Protest konservativer Katholiken zog sich der Filmemacher mit dem Streifen «Die letzte Versuchung Christi» zu. Mit dem Mafiafilm «Goodfellas» landete Scorsese einen weiteren Hit und eine Oscartrophäe für Joe Pesci.
Wie in vielen seiner Filme ist seine Mutter in einer kleinen Rolle zu sehen. Auch er selbst stand mehrere Male vor der Kamera, spielte etwa in «Taxi Driver» einen psychotischen Fahrgast. Scorsese hat drei Kinder und ist bereits zum fünften Mal verheiratet. Neben dem Film hat er eine weitere Leidenschaft: 1992 gründete der Regisseur die Firma Martin Scorsese Presents, die sich vor allem für die Restaurierung und Erhaltung alter Filmklassiker einsetzt.
1997 erhielt Scorsese für sein Lebenswerk den begehrten Preis des American Film Institutes. Ob er mit «Gangs of New York» den längst überfälligen Regie-Oscar gewinnt, zählt zu den spannendsten Fragen der nächsten Oscar-Verleihung. Über eine Auszeichnung kann sich der Filmemacher aber schon an seinem Geburtstag freuen: Die britischen Filmkritiker wählten kürzlich zwei seiner Filme, «Wie ein wilder Stier» und «Goodfellas», auf die Top Ten Liste der besten Filme der letzten 25 Jahre.