Maria Callas, Königin der Opernbühne und der Kochrezepte
München/dpa. - Primadonna assoluta, Königin der Mailänder Scala, die «schönste Stimme des 20. Jahrhunderts»: Mit ihrem einzigartigen Sopran, ihrer Darstellungskraft und Bühnenpräsenz wurde Maria Callas, die am 16. September vor 30 Jahren einsam in Paris an Herzversagen starb, zur Legende nicht nur des internationalen Opernpublikums.
Denn die glanzvolle Interpretin der Norma, der Violetta und der Medea war auch Mitglied des Nachkriegs-Jet-Set. Sie verließ mit einem Skandal ihren Gatten Meneghini und hatte eine Affäre mit Tankerkönig Aristoteles Onassis, bis dieser Jacqueline Kennedy ehelichte. Dabei - und das wissen bislang wohl nur wenige - hatte die Callas privat auch ganz bodenständige Seiten: Eigentlich sei sie Hausfrau und nur «aus Versehen» Künstlerin geworden, vertraute sie einer Freundin an.
Wie besessen sammelte sie Rezepte und Kochbücher, brutzelte und buk regelmäßig für ihre Freunde. Gern ließ sich «La divina», so oft als schwierig verschrien, in ihrer modernen Anbauküche fotografieren. Die lukullischen Entdeckungen, die Callas in Nobel-Restaurants oder in Illustrierten machte, notierte sie auf kleinen Zetteln und ließ sie später für ihre Gäste nachkochen. Mit einer Auswahl dieser Rezepte, angereichert mit Geschichten aus dem Leben der Sängerin, mit Erinnerungen prominenter Freunde, vielen Fotos sowie einer CD mit berühmten Arien, hat Bruno Tosi ein köstlich opulentes Kochbuch zusammengestellt. Das Buch des Musikkritikers, Biografen, PR-Managers und Gründers der «Associazione Culturale Maria Callas» lädt in jeder Hinsicht zum Schwelgen ein. Da stören bloß ein paar Flüchtigkeitsfehler des Lektorats.
Sich selbst hat die Künstlerin das Schwelgen allerdings bald konsequent verboten. Das ist das Eigenartige an ihrem Gourmet-Tick: Was sie an Rezepten sammelte und ihren Gästen servieren ließ, erlaubte sie sich persönlich gar nicht oder nur in homöopathisch- winzigen Dosen. Denn die Mannequinfigur der Diva resultierte aus drakonischen Diätmaßnahmen seit 1953/54. Davor war die 1923 in New York geborene Griechin ein unscheinbarer Pummel mit Brille, eine «große Dicke mit dem ganz leicht grätschbeinigen Gang», wie die Tänzerin Carla Fracci schrieb. Regisseur Visconti zwang sie abzunehmen, um aus ihr eine zarte Violetta machen zu können. Und auch Callas selbst sehnte sich nach Schlankheit, Schönheit und Eleganz: Sie wollte aussehen wie Audrey Hepburn, deren Filme sie sich mit Vorliebe anschaute.
So wurden Sammeln und Servieren von Klassikern der italienischen, der griechischen, der französischen und der amerikanischen Küche zu Kompensationen des eigenen Diätwahns, dem sie schon mal mit getrocknetem Schildkrötenextrakt, Hormonen und Jod-Injektionen in die Schilddrüse nachhalf. Nachdem sie 40 Kilo verloren hatte und ihre Taille 59 Zentimeter maß, nahm sie zum Frühstück nur noch schwarzen Kaffee und Zwieback zu sich. Brauchte sie Kraft, etwa für einen Bühnenauftritt, genoss sie rohes Fleisch oder zerstampfte rohe Leber mit einigen Tropfen Öl zu Brei, den mit dem Löffel aß. Schmauste das Personal am Küchentisch, trat die Hausherrin manchmal hinzu und genehmigte sich ein Löffelchen Speiseeis.
Auch von den Lieblingsspeisen Casanovas, die dessen Bewunderer Onassis auf seiner Yacht nach Originalangaben aus der Autobiografie des großen Genießers für seine Freundin Maria anrichten ließ, aß sie kaum. Käsecreme mit weißen Trüffeln, Tagliolini mit Jakobsmuscheln oder Austernpastetchen blieben laut Tosi so gut wie unberührt.
Bruno Tosi: Maria Callas - La divina in cucina
Die Entdeckung ihrer kulinarischen Geheimnisse
Südwest-Verlag, München
Euro 29,95, 160 S.
ISBN 978-3-5170-8267-7