Märchen Märchen: Vergessener Erzähler wurde vor 200 Jahren geboren

Neustrelitz/Dresden/dpa. - Am 22. Februar 1805 in Danzig geboren, wirkte er später als Schriftsteller vor allem in Berlin, Düsseldorf und Dresden. Doch seine Geschichten kennen heute nur noch Eingeweihte.
Vor einem halben Jahrhundert war das noch anders. «Bis in die60er Jahre hinein stand Reinick in vielen Lesebüchern. Er gilt alsVertreter der späten Romantik», erklärt Germanist Karl-Ewald Tietzvon der Europäischen Märchengesellschaft. Mit Märchen wie «DieWurzelprinzessin» oder «Lieder und Fabeln für die Jugend» schriebsich Reinick in die Herzen der Menschen.
«Es gibt viele Parallelen zu Andersen», sagt Richter, der zubeiden Dichtern eine Ausstellung vorbereitet. So wurden beide an derOstsee geboren: Reinick im heute polnischen Danzig, Andersen imdänischen Odense. «Das Meer bestimmte auch einen Großteil ihrerGedanken», fand Richter heraus. Und beide entdeckten nach dem Abiturihre künstlerischen Ambitionen. «Andersen wollte zum Theater, ReinickMaler werden», sagt Richter. Wichtige Stationen auf ihren Wegen warenfür beide Dichter Berlin, Dresden und Rom.
Reinick fand seinerzeit über die Dichter Adelbert von Chamisso undJoseph Eichendorff sowie den Musiker Felix Mendelssohn-BartholdyZugang zu den Künstlerkreisen. «Er verknüpfte als erster 1845 dasABC-Buch mit tollen Illustrationen», sagt Richter und blättert zumBeweis die Seiten auf. Dabei half dem Dichter einer der bekanntesteDresdner Maler jener Zeit: Ludwig Richter (1803-1884), der auchAndersens Märchen illustrierte.
Zuvor hatte Reinick schon in Berlin und Düsseldorf, wo erMalschulen besuchte, als Dichter auf sich aufmerksam gemacht. In derDüsseldorfer Malerschule Wilhelm Schadow avancierte er in der 1830erJahren zum Liebling der Kunstszene. In jener Zeit schrieb er auchseine ersten Gedichte. 1838 wurde Reinick Vorsitzender derVereinigung der deutschen Künstler in Rom. Durch Heirat kam er 1843nach Dresden, wo er seine effektivste Schaffensperiode erlebte. Erschrieb Lieder, Märchen und Gedichte. So gibt es Texte von ihm imRobert-Schumann-Archiv Zwickau, ein Teil seines Schaffens wurdeversteigert und lagert laut Richter heute in Danzig und Düsseldorf.
«Er hat sich nicht den großen politischen Themen seiner Zeitgewidmet», erklärt sich der Germanist Tietz das langsame VerschwindenReinicks aus den Büchern. Doch unumstritten sei Reinick einer derpoetischsten Schilderer von Natur und Gefühlen seiner Zeit gewesen.«Erst vor 40 Jahren, zu Beginn des Medienzeitalter geriet er fastvöllig in Vergessenheit», sagt Tietz. Doch das sei falsch: «In einerZeit, in der sich grundlegende Werte immer mehr verlieren, würdensich diese bildhaften Geschichten Reinicks heute auf jeden Fallwieder lohnen.»