Marc-Uwe Kling Marc-Uwe Kling: Kommunistisches Känguru liebt Schnapspralinen
leipzig/MZ. - Seine Lesung "Die Känguru-Offenbarung" umrahmt der Wahlberliner mit Gitarrensprechgesang und macht anfangs gleich mal eine Marktforschung: "Wer ist verunsichert, wenn ich Geschichten von einem Känguru vorlese?" Den Fans, die sich nicht nur aus dem Studentischen rekrutieren, ist klar, was jetzt kommt: Erzählungen, Anekdoten und Reflexionen eines selbstständig Kreativen, der ähnlich wie Meister Eder von einem skurrilen Geschöpf aus seiner melancholischen Eigenbrötelei erlöst wird. Nur steht hier kein Kobold, sondern ein Känguru vor der Tür. Das sucht ein Zuhause und bringt neben seiner politischen Einstellung - es ist Kommunist - eine Vorliebe für Schnapspralinen mit.
Kling, 1982 in Stuttgart geboren, hat ein Universum erschaffen, in dem er mit berstendem Sprachwitz gekonnt die Klippen des politischen Kabaretts umsegelt. Wenn das Känguru in der Wohnung des Nachbarn - der zufälligerweise ein Pinguin ist - über Facebook eine Party organisiert, Marketingstrategien analysiert oder in der Hängematte liegend den Kapitalismus erklärt, entsteht gar nicht erst die Gefahr eines moralischen Zeigefingers. Der Künstler und das Känguru: Hier geht es auch um Einsamkeiten, um eine plüschige Harmonie, die beständig mit pfiffigen Einfällen verteidigt wird. Kling hängt über das, was man gemeinhin mit dem Studentenleben assoziiert, eine schlurfende Lässigkeit. Wie seine Texte ist auch sein Auftritt. Immer ein wenig gelangweilt wirkend, dabei hochgradig durchschauend, tiefenentspannt und voller ironischer Anspielungen auf die gesellschaftlichen Brennpunkte: "Ich will auch Unternehmerfreunde. Wenn es nicht mehr geht, laden die mich zum Vortrag über Kleinkunst ein."
Klings philosophisch-soziologischer Einfluss ist unüberhörbar, durch seine plastisch putzigen Beschreibungen erzielt er Vermittlungsvolltreffer, die so manchen Pädagogen alt aussehen lassen. Neben seinen Känguru-Geschichten, die mittlerweile in zwei Büchern, diversen Platten und in einer wöchentlichen Podcast-Reihe dokumentiert sind, gibt es nun auch einen Kalender. Er beinhaltet für jeden Tag ein falsch zugeordnetes Zitat. "Die Grenzen meiner Sprache sind die Grenzen meiner Welt": Das ist nicht Wittgenstein, sondern Lukas Podolski! Hier werden Gegenwartswahrnehmungen beständig gegen einen wachen belesenen Verstand gerieben. Da gibt es einen Sozialisten. Der Fünf-Jahr-Plan ist schon nach vier Jahren erfüllt. Er rennt durch Moskau, staunt sich in Wodkalaune, findet aber nur Bubble-Tea. Da teilen sich die Toiletten nicht in Mann und Frau, sondern in Wessi und Ossi.
Marc-Uwe Kling ist kein klassischer Poetry-Slammer, kein politischer Kabarettist alter Schule. Er hat eine "Känguru-Offenbarung" geschaffen. Ob sie in den nächsten Jahren einen ähnlichen Kultstatus wie Pumuckel und sein Schreinermeister erhält, ist offen. Verwundern müsste es aber niemanden.