Manic Street Preachers Manic Street Preachers: Auf Schleichfahrt in den Hymnen-Himmel
Halle/MZ. - Deren neues, inzwischen siebtes Album kehrt zurück in die 80er Jahre, als die Rock-Karriere ein Wunschtraum war für die vier Jungen aus der Kleinstadt Blackwood in Wales. Auf einem Keyboard-Teppich tanzt Bradfields Stimme durch "1985", als die vier 16-jährigen Sonderlinge Nietzsche lasen und The Smiths hörten, während draußen die Bergarbeiter streikten und Margret Thatcher begann, Englands Gürtel enger zu schnallen.
Das klingt noch einmal wie die großen Manics-Hymnen der 90er, die aus kämpferischen Reimen und Ohrwurmmelodien Hits wie "Design for Life" und "If You Tolerate" destillierten. Und doch ist "Lifeblood" weniger Fortschreibung als Neubeginn: Die knackigen Parolen sind ebenso verschwunden wie die sozialromantischen Posen.
Die zwölf neuen Songs des Trios sind zugleich lockerer und ernsthafter, musikalisch leichter als auch textlich ehrlicher. Es geht nicht mehr zuerst um die Welt und die Revolution, sondern um Glaube und Gefühle. Dazu gibt es weniger Gitarren und mehr Piano, kürzere Texte und offenere Enden.
Statt "Alles muss vergehen" heißt es jetzt "Alles muss sein": "To Repel Ghosts" sucht Spuren des vor neun Jahren verschwundenen Band-Kollegen Richey Edwards. "I Live To Fall Asleep" vollzieht die Gedanken eines Selbstmörders nach. "Emily" feiert die Lebensleistung der englischen Emanzipations-Avantgardistin Emily Pankhurst. Immer sind die Melodien himmelstürmend, die Chöre gigantisch und der Bass streichelt weich um die Schlagzeugbeats.
Aber nichts ist vordergründig oder platt, alles findet sich eingepackt in einem voluminösen Sound aus Gitarrenwänden, Orgeln und Bradfields strahlendem Gesang. "Lifeblood" ist perfekter Pop für Alt-Punks, eine Wiedergeburt von Abba als ernsthafter Rockband. Ein Album, das sich anschleicht wie die Single "The Love Of Richard Nixon", die bei genauerer Betrachtung zur Abrechnung mit dem Hang des Menschen zu falscher Erinnerung wird. Klassische 45 Minuten später dann "Cardiff Afterlife", ein Abgesang auf Kindertage und gemeinsame Erinnerungen.
Nicht nur Gott, auch Nietzsche und Nixon sind tot. Nimmerland ist abgebrannt, da hilft auch keine gut gemeinte Rebellion. "Eine einsame Insel ist manchmal der Ort, an dem ich leben möchte", singt James Dean Bradfield, der tatsächlich so heißt und damit noch Glück hat. Sein Vater hatte eigentlich darauf bestanden, dass er den Vornamen Clint Eastwood bekommt.