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Manfred Krug Manfred Krug und "Seine Lieder": Freunde und Kollegen vollenden letztes Projekt

Von Christian Eger 08.02.2017, 10:13
„Wärmer weht heut der Wind“: Manfred Krug bei den X. Weltfestspielen der Jugend, August 1973 in Ostberlin
„Wärmer weht heut der Wind“: Manfred Krug bei den X. Weltfestspielen der Jugend, August 1973 in Ostberlin dpa

Halle (Saale) - Manfred Krug holte den Jazz-Schlager auf die Bühnen der DDR. In die großen und in die sehr großen Häuser. In die Kongresshalle am Berliner Alexanderplatz, in den Friedrichstadtpalast, in die Betriebskulturhäuser überall. Krug war „The Voice“, die Stimme, in einem Staat, den „The Voice“, der US-Star Frank Sinatra, nicht auf der Landkarte hätte zeigen können.

Krug, der aus Duisburg stammende Kraftschauspieler, der an diesem Mittwoch 80 Jahre alt geworden wäre, hatte das immer von sich behauptet: Dass er in der DDR als Sänger nur ein Ersatzkünstler gewesen sei für die West-Stimmen, die in den Osten nicht reisen wollten. Aber das war höchstens nur die halbe Wahrheit. Krug war mehr als ein singender Schauspieler, von denen es heute so viele gibt.

Manfred Krug war „The Voice“ einer DDR, die es nie gegeben hat

Der proletarische Charmebolzen - 100 Kilogramm Gewicht, 190 Zentimeter Länge, Schuhgröße 46,5  - war als Sänger ein wirklicher Künstler. Wem der Schauspieler Krug, der ja immer nur Krug zeigen konnte, auf die Nerven ging, der entdeckte im Sänger ein anderes Naturell. Versponnen, zart, nicht auftrumpfend. Aus Jazz- und Swing-Standards arbeitete sich Krug, der sich vor 1945 durch den Plattenschrank des abwesenden Vaters gehört hatte, zu einem einzigartig originellen Repertoire vor. Hauptsache weg vom Mainstream. Den Reim hatte Krug von einem Mitschüler gelernt: „Der Boy und das Girl die lieben den Hot und meiden die Deppen von der FDJ“.

Spätestens von den 1970er Jahren an war der Nationalpreisträger, der mit seinen Stahlarbeiter-Pranken das Mikrofon fast zum Verschwinden brachte, als Sänger keine Kopie mehr, sondern „The Voice“ einer DDR, die es nie gegeben hat: lässig, freiheitlich, poetisch. „Was wir taten, war fast ein bisschen am Untergrund entlang“, sagte Krug. „Das Publikum hat uns das Gefühl gegeben: Solange Leute da sind wie ihr, so lange ist der Ofen noch nicht aus.“

Bis zur Ausreise 1977: Manfred Krug veröffentlichte zehn Jazz-Alben im Osten

Etwa zehn Jazz-Alben hatte Krug bis zu seiner Ausreise 1977 im Osten veröffentlicht. Angefangen von den Amiga-Platten „Jazz und Lyrik“ über die Krug-Erfolge „Das war nur ein Moment“, „Ein Hauch von Frühling“ bis hin zu „Greens“, einer Sammlung von internationalen Swing-Klassikern, und „Du bist heute wie neu“. Alben darunter, auf denen Krug nicht einfach nur zur Musik von Günther Fischer sang, sondern auf denen er unter dem Pseudonym Clemens Kerber die Texte lieferte. Eine unangestrengt witzige Poesie wie: „Sonntag / Häng den Pelz in den Spind / Sonntag / Wärmer weht heut der Wind“. Verse, die man kennt.

Aber kaum im Westen. Als Schauspieler war Krug, der von „Spur der Steine“ bis zur „Sesamstraße“ alles spielte, was Erfolg versprach, eine gesamtdeutsche Berühmtheit; der Ruhm des Sängers blieb auf den Osten beschränkt. Krugs Versuch, 1979 mit dem Album „Da bist du ja“ im Westen zu landen, floppte. Mit Hängen und Würgen wurden 25 000 Platten in zehn Jahren verkauft. Dabei waren es zu zwei Dritteln Ost-Rentner, die zu der Scheibe griffen. Es dauerte Jahre, bis sich Krug von dieser Niederlage erholte, die er sehr persönlich nahm.

Vorsichtig, durch die „Tatort“-Hintertür, brachte er sich in der Rolle des swingenden Kommissars als Sänger in Erinnerung. Aber Krug brauchte Zeit für das Comeback. Die seit 2015 bis kurz vor seinem Tod im Oktober 2016 gemeinsam mit der Jazz-Sängerin Uschi Brüning veranstalteten Konzerte waren Feste der Rückkehr. „Da bist du ja“: Im Osten traf der West-Plattentitel zu. Das Publikum, das Krug mit seiner Ausreise verloren hatte, schloss ihn in die Arme.

Diesem Publikum wollte er jetzt zu seinem runden Geburtstag die CD „Meine Lieder“ schenken, eine persönliche Best-Of-Auswahl, die den Songtexter Krug in den Mittelpunkt stellen sollte, begleitet vom Deutschen Filmorchester Babelsberg, arrangiert von Lutz Krajenski. Krugs Tod machte das Projekt nicht zunichte, aber veränderte es: Jazz- und Fernsehfreunde sangen jetzt für Manfred Krug.

Es ist ein kühnes Vorhaben, in dem sich die Hingabe und Betroffenheit der Sänger jede Sekunde mitteilen. „Tatort“-Kollegen wie Jan Josef Liefers („Sonntag“), Axel Prahl („Wann, sag wann“) und Ulrich Tukur („Lass mich nicht gehen“), die tatsächlich singende Schauspieler sind, geben ihr Bestes. Das Vergnügen beginnt mit Stefan Gwildis („Sie“) und Joy Fleming („Du bist heute wie neu“ - im Duett mit Juliano Rossi), die spielfreudig jeden Kickser und Seufzer ausmalen, es steigert sich mit den Prinzen („Ich weiß ein Mädchen“), Heinz Rudolf Kunze („Rosalie“) und der Krug-Tochter Fanny („In einem Regen“), um einen Höhepunkt im Duett von Charles Brauer, Krugs „Tatort“-Kollegen, und Bill Ramsey zu finden. Diese Herren singen, nein, feiern „Das Lied mit einem Ton“, das Krug bis zuletzt auf der Bühne präsentierte: „Nichts für ungut / Momentan wird es ein bisschen monoton / Daran Schuld ist dieses Lied / Mit diesem einen langen Ton.“

Schließlich und vor allen anderen: Uschi Brüning! Sie singt „Die Nacht ist um“, ein Einsamkeits-Lied, in dessen Versen sich wie zwischen Häuserschluchten Momente der Verlassenheit öffnen. Ein Krugscher lyrischer Monolog, der vom Grund der Nacht her spricht: „Mag sein, dass unser Leben nie / Deinen Träumen glich“, das haucht, hallt, klagt die Brüning. Und schließt: „Nur das eine wollen wir nie wieder sein / Allein“. Mit Stimmen wie Uschi Brüning geschieht das weder Manfred Krug noch seinem Publikum.

Manfred Krug: Seine Lieder. CD. U. a. mit Charles Brauer, Uschi Brüning, Joy Fleming, Stefan Gwildis, Heinz Rudolf Kunze. Label Künstlerhafen (mz)