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Malerei Malerei: Gabriele Mucchi ist tot

Von Irma Weinreich 11.05.2002, 17:45

Berlin/dpa. -    Der Zeitzeuge des vergangenen Jahrhunderts verbrachte sein Lebennicht nur in zwei Ländern, sondern in zwei Welten. Mucchi kam Mitteder 50er Jahre in die DDR, die sich gern mit dem «internationalenGenossen» und einstigen Partisanenkämpfer schmückte. Seine letzteRuhe wird er denn auch auf dem Berliner Friedhof Friedrichsfeldefinden, wo nicht nur die Künstler Käthe Kollwitz und Otto Nagelbeigesetzt wurden, sondern auch die Gräber der Sozialistenführer KarlLiebknecht und Rosa Luxemburg und der führender DDR-Politiker sind.

   Mucchi war Realist. Er begreife Kunst als «Engagement gegenüberden Menschen», schrieb er in seiner Autobiografie «VerpassteGelegenheiten». Arme Fischer und landlose Bauern, Partisanen,Streikende und Demonstrierende bevölkern seine Bilder. Starkstilisiert, gleichen sie mitunter Heiligen. Umgekehrt trägt Petrusauf einem Wandbild in der Engelskirche von Salussola die Züge vonKarl Marx.

   Mucchi war bis zuletzt voller Pläne und Enthusiasmus für seineKunst. Bei einem in den letzten Jahren in Berlin geplanten Wandbildgab es für den Künstler jedoch reichlich Ärger, obwohl der Vorschlag,in der Dorfkirche von Alt-Staaken mit dem Bild «Versöhnte Einheit» andie überwundene Teilung zu erinnern, Mitte der 90er Jahre überallEuphorie auslöste. Unter dem Kreuz Christi reihen sich Geistesgrößendes 16. Jahrhunderts von Martin Luther und Thomas Müntzer bisNikolaus Kopernikus. Die Entwürfe waren bereits ausgestellt. Malfehlte das Geld, dann hatten die Denkmalpfleger Einwände. Seitvergangenen August arbeitet nun ein Schüler Mucchis an derFertigstellung, die noch für dieses Jahr geplant ist.

   Mucchi wurde am 25. Juni 1899 in Turin als Sohn des Malers AntonMaria Mucchi und der Gräfin Lucia Tracagni geboren. Der Faschismus inItalien führte ihn in eine Reihe mit antifaschistischen Künstlern wieRenato Guttuso, Giacomo Manzu und Renato Birolli. Er wurde Mitgliedder Kommunistischen Partei, deren Ideale von einer gerechten Welt erbis heute hochhält. Als 1989 tausende DDR-Bürger in den Westenflüchteten, ließ er Kurt Hager, den Kulturgewaltigen im SED-Politbüro, aus Mailand wissen: «Für den gegenwärtigen Exodus seid Ihrselbst in großem Maße verantwortlich.»

   Die Wege des Malers, der in erster Ehe mit der deutschenBildhauerin Jenny Wiegmann (1895-1969) verheiratet war, kreuzten sichmit vielen Persönlichkeiten dieses Jahrhunderts, darunter BertoltBrecht und Pablo Neruda, Salvador Allende, Joris Ivens und PalmiroTogliatti. Die DDR umwarb Mucchi mit einer Gastprofessur an der Ost-Berliner Kunsthochschule, die er bis 1961 innehatte. Die Humboldt-Universität verlieh ihm den Ehrendoktortitel.