Luther-Film Luther-Film: Der Reformator als edler Asket

Halle/MZ. - Es mag ja paradox klingen: Aber gegen den Historienstreifen "Luther" spricht in erster Linie, dass man so wenig gegen ihn vorbringen kann. Regisseur Eric Till, ein Kanadier britischer Herkunft, hat sich mit seinem Film über Dietrich Bonhoeffer als Mann für das ernste Fach empfohlen. Nun galt es, den Reformator ins Bild zu setzen - als christliche Heldenfigur.
"Er veränderte die Welt für immer", geben die Filmemacher dem Zuschauer mit auf den Weg. Das ist schon richtig. Aber wie wird ein Film, kein missionarischer Lehrfilm daraus? Dramatisch und actionreich, so bewerben die Produzenten ihr Werk, die evangelischen Kirchenoberen sind des Lobes voll. Immerhin hatte Till eine prominente Schauspielerriege für die 25Millionen Euro teure Arbeit über den berühmtesten Dissidenten der römischen Kirche verpflichten können, voran Joseph Fiennes ("Shakespeare in Love") als Martin Luther und der greise, großartige Sir Peter Ustinov in der Rolle Friedrichs des Weisen, Kurfürst von Sachsen.
Natürlich ist es ein Kreuz, einen Stoff wie diesen zu verfilmen. Positiv gesprochen: eine Herausforderung. Jedermann kennt das historische Material, auch kann man sich denken, dass die Sachverständigen den Künstlern sehr genau auf die Finger geschaut haben werden, damit das Opus theologisch korrekt ist. Schließlich wäre Luther, wenn es diese Form der Verehrung bei den Protestanten gäbe, deren erster Heiliger. Doch Luther war es ja, der die Heiligen für seinen Beritt gewissermaßen außer Betrieb genommen hat. So, wie er den päpstlich legitimierten Handel mit Ablassbriefen an den Pranger stellte: Gegen Bares sollte der eigenen (oder verwandten) Seele aus dem Fegefeuer zu helfen sein? Luther sah Gott nicht als strafende, bestechliche Instanz, sondern als den Inbegriff der Vergebung. Deshalb legte er sich mit seiner Kirche an.
Das alles will Herr Till uns zeigen. Rührende Szenen werden hübsch mit Disputationen gemixt, Herz wie Hirn sollen auf ihre Kosten kommen. Gleich eingangs blitzt und kracht es höchst gewaltig, Jung-Luther stürzt auf schlammigem Acker. In Todesangst erkennt er seine Bestimmung: Ins Kloster wird er gehen. Donnerwetter! Sein ebenso legendärer, auf der Wartburg bei Eisenach verübter Tintenfass-Wurf wider den Teufel fehlt hingegen im Film.
Joseph Fiennes spielt seinen Luther als einen kompromisslosen, ja fanatischen Mönch, der zugleich von tiefen Selbstzweifeln geplagt und dem Volke getreulich zugetan ist. Da bestattet er einen Selbstmörder auf dem Friedhof, was die Kirche doch verboten hat. Hier gewinnt er das Vertrauen einer armen Frau, deren schwer behinderte, verängstigte Tochter Grete später mit einem Mal an selbst gebastelten Krücken lächelnd auf den Reformator zu geht. Entsetzt von der Revolte des Pöbels, trauert er schließlich um die Opfer des Bauernkrieges, unter denen er zu seinem Schrecken auch Grete und ihre Mutter Hanna entdecken muss.
Dieser Luther ist ein glutäugiger, edler, gut aussehender Asket. Vom sinnenfrohen, deftigen Mannsbild, das er wohl gewesen sein muss, findet sich indes keine Spur. Mit Frau Katharina im Bett geht es streng jugendfrei zu, auch zum Essen bleibt wenig Zeit. Dagegen zeichnete der Luther-Film, den Kurt Veth 1983 (mit Ulrich Thein als Luther und Hans-Peter Minetti als Tetzel) für das DDR-Fernsehen drehte, ein durchaus vielschichtigeres Zeitbild. Aber Veth hatte eben auch volle fünf Spielfilmlängen Zeit dafür.
Tills stoffsatte Produktion ist notwendigerweise vollgepackt mit Figuren, manche gewinnen trotzdem ein souveränes Eigenleben - Jochen Horst als Luthers Gefährte und späterer Widersacher Karlstadt zum Beispiel. Und Sir Peter Ustinov natürlich, der seines Kurfürsten Beinamen (der Weise) alle Ehre macht: Ein Machtpolitiker, der gerissen genug ist, den leicht Senilen zu spielen - weil er klug genug ist, die Zeichen der Zeit zu erkennen.
So sollen Potentaten zuweilen ja gestrickt sein, bis heute. Gut möglich, dass der listige Ustinov daran gedacht hat. Und eine fiktive Begegnung Friedrichs mit dem Bibelübersetzer Luther in den Film boxte, wie man liest. Das spricht nicht gegen das Produkt - im Gegenteil, mehr Freiheit hätte es gut vertragen: Sind die Erbsen zu genau gezählt, die Effekte zu sehr kalkuliert, wächst nämlich Langeweile.