Luftbilder Luftbilder: So schön ist das Wörlitzer Gartenreich von oben

Dessau-Roßlau - Von so weit oben hat der Fürst sein Ländchen nie gesehen. Jedenfalls nicht höher als vom Belvedere des Wörlitzer Schlosses oder vom Turm der Wörlitzer Petrikirche aus, nicht weiter als von der Dessauer Hof- und Stadtkirche St. Marien und vom Ausguck des Eckturmes im Residenzschloss. Obwohl vor über 200 Jahren diese Blicke in der anhalt-dessauischen Auenlandschaft schon viel ins Auge fassten von dem, was heute unter der fabelhaften Marke „Gartenreich“ zwischen Wörlitz und Mosigkau gelistet ist.
Aber es ist ein Unterschied, ob man ein Gelände von einem festen Punkt aus in den Blick nimmt oder ob man darüber hinwegzieht. Der Schriftsteller Jean Paul träumte davon, als er den Luftschiffer Giannozzo im Jahr 1800 über die Wörlitzer Anlagen gleiten ließ: „mit der Sonne sank ich da in den wechselnden Garten, dessen Aussichten wieder Gärten sind“, die Tempel „blitzten wie von Morgenlicht“.
Das Dessau-Wörlitzer Gartenreich aus 300 Metern Höhe
Was Leopold Friedrich Franz (1740-1817), dem Gartenkünstler unter den Fürsten seiner Zeit, unmöglich war, unternahm nun der Fotograf Janos Stekovics: In den Jahren 2012 und 2016 flog der im Saalekreis ansässige Verleger in einem Kleinflugzeug über die Dessauer Kunstlandschaft hinweg. Aus einer Höhe von mindestens 300 Metern und bei einer Geschwindigkeit bis 120 Kilometer in der Stunde lichtete er aus dem geöffneten Cessna-Fenster die Gärten, Wälder und Städte ab - 126 Aufnahmen veröffentlicht er als Bildband „Über die elysische Landschaft. Das Gartenreich Dessau-Wörlitz aus der Luft“.
Der Betrachter folgt dem Blick des Fotografen, dessen Beweglichkeit und Geschwindigkeit sich Bild für Bild mitteilen. Das ist reizvoll, denn der Wechsel von Höhen und Perspektiven lässt jeweils ganz andere Bilder entstehen; zudem malt immer die Sonne mit. So meint man tatsächlich über die Landschaft dahinzugleiten, die Stekovics mit einer beeindruckenden Sicherheit einfängt. Die Ruhe teilt sich aus der gestalteten Landschaft mit - und aus dem Ausschnitt, den der Fotograf wählt; das ist seine Kunst, aus einem Hochgeschwindigkeitsblick ein Zeugnis der Ruhe zu machen. So wie bei dem beinahe abstrahierten Braun-Grün-Bild, das das 1775 errichtete Wallwachhaus zwischen Sieglitzer Berg und Vockerode zeigt.
Das von dem Dessauer Autor und ehemaligen MZ-Redakteur Andreas Hillger eingeleitete und erläuterte Luftbilderbuch besichtigt die Landschaft in sieben Abschnitten: die Gewässer, Mosigkau, Großkühnau, Dessau, Sieglitzer Berg, Oranienbaum und Wörlitz. Auch die Städte rücken in den Blick. Aber das sind Sichten, die man kennt. Es sind die Landschaften, die fesseln.
Die für Spaziergänger entworfenen Gärten sehen von oben anders als von unten aus. Stekovics bietet sozusagen einen Blick hinter die Kulissen, der manches kulissenhaft erscheinen lässt: die Galeriepflanzungen, die Ackerflächen zu verbergen haben. Was dem „Waller“ als ein tiefgrünes Gelände erscheint, sieht von oben aus wie ein Garten im Frühjahr: kahl, unbegrünt, von Acker durchzogen. Wo ein künstlicher See erscheint, ist ein künstlicher Hügel nicht fern: Dort wurde der Aushub aufgetürmt. Großartig die Wälder, in denen sich andersfarbige Baumgruppen oder Gewässerlinien zeigen.
Grüne Herrschaftslandschaft
Einige Fotografien gelingen so eindrücklich, dass man diesen einen größeren Auftritt als den von 24 mal 22 Zentimetern wünschte. Und eine größere Kollektion an Motiven, die auch die Allee- und Gartenachsen zwischen Dessau und Wörlitz sowie nach Coswig hin abbilden würde, die das „Gartenreich“ zusammenhängend als eine herrschaftliche Landschaft kenntlich machte. So zeigt Janos Stekovics Dessau-Wörlitz als eine Serie von Einzelbildern, denen man mit Neugier und Verblüffung folgt. Das ist auch hilfreich. Wer künftig in Mosigkau den Irrgarten betritt, sollte dieses Buch dabei haben: Von oben zeigt es den Weg heraus. (mz)
Janos Stekovics, Andreas Hillger: Über die elysische Landschaft. Das Dessau-Wörlitzer Gartenreich aus der Luft. Stekovics Verlag, 120 S., 24,80 Euro