Luciano Pavarotti Luciano Pavarotti: Ein Leben für die Oper

Rom/dpa. - Opernfans lieben das «finale furioso», doch was siemit Luciano Pavarotti erleben, ist eher ein trauriger Abgesang.Längst sind die guten Zeiten vorbei, das hohe C trifft er seit Jahrennicht mehr, aber immer weiter schleppt sich der Maestro von Konzertzu Konzert. Wie ein Gefangener seiner Drei-Zentner-Körperlast wirkter auf der Bühne. Warum tut er sich das an? Seine Stimme war einstgöttlich, die Opernwelt lag ihm zu Füßen, 1988 bekam er in Berlin 115Vorhänge. Am 12. Oktober wird Luciano Pavarotti 70 Jahre alt - undseine «Farewell-Tour» nimmt kein Ende. Die Fans fragen sich: Wannkommt der Schlussakkord?
«Die Leute bezahlen, weil sie mich hören wollen. Erst wenn siewegbleiben, ist für mich Schluss», meinte «Big Luciano» vor ein paarJahren, kurz nach der Peinlichkeit an der Metropolitan Opera in NewYork. Da sagte er zwei Mal kurz hintereinander seinen Auftritt ab,und das eine Stunde vor der «Tosca»-Aufführung. «Der Dicke singtnicht», titelte eine Zeitung. Das traf ihn schwer, schließlich hatteer an der «Met» seine goldenen Zeiten erlebt - vor fast 40 Jahren.Damals, als der Bäckersohn aus dem norditalienischen Modena nochbeinahe schlank war.
Doch das Besondere, das Herausragende an dem «Tenorissimo» warennicht die Auftritte auf der Opernbühne - es war sein Tabubruch, denihm Opernpuristen bis heute nicht verzeihen. «Pavarotti AG» nennenKritiker seine Melange von Oper, Pop und Geschäft. Sie meinen damitseine Auftritte mit den Spice Girls und Tom Jones, seine Konzerte inFußballstadien, den Hang zum Seichten. «Ich kenne Popsongs, diebesser sind als fast jede Opernarie», reizt der Maestro seineKritiker.
Weltberühmt wurde das Unternehmen «Die drei Tenöre» mit PlacidoDomingo und José Carreras. Ganz neue Dimensionen taten sich auf, auchfinanziell. 1990 nutzte das Trio die Fußball-Weltmeisterschaft zumweltweit ausgestrahlten Auftritt. Der Live-Mitschnitt wurde mit mehrals zehn Millionen verkauften Platten und CDs zum «größten Klassiker-Bestseller der Schallplattengeschichte«, wie Branchenkenner jubelten.Pavarottis Arie aus Puccinis «Turandot» wurde zur Hymne derWeltmeisterschaft.
Logisch, dass sich Fundamentalisten der Opernszene von solchenmusikalischen Niederungen abwendeten. Pavarotti hat das nie gestört.Mit der Oper, provoziert er, sei es wie beim Fußball. «Schließlichdürfen alle Menschen Fußball sehen, auch wenn sie nichts davonverstehen.»
Dabei hatte der junge Mann zunächst Pädagogik studiert, versuchtesich als Volksschullehrer. Mitte der 50er Jahre nahm erGesangsstunden, dann ging alles rasend schnell: ersteOpernengagements 1961, als Rudolf in «La Bohème». 1962 einglanzvoller Auftritt in Amsterdam, 1964 sprang er an der CoventGarden Opera in London für den erkrankten Giuseppe di Stefano ein.«Ich war mir immer bewusst, dass die Stimme ein göttliches Geschenkist.»
1966 folgte das Debüt an der «Scala», zwei Jahre später an der NewYorker «Met». In seinen großen Zeiten schaffte er es, auf einerPartiturzeile gleich neun Mal auf ein hohes C zu kommen. Und immerwieder war es sein Auftritt in «La Bohème», der die Fansdahinschmelzen ließ, vor allem die Deutschen. In den vergangenenJahren waren es dann eher Schlagzeilen aus dem Privaten, die um dieWelt gingen: Der quälende Streit um Steuermillionen, seine Scheidungnach Jahrzehnten der Ehe, seine Affäre mit der mehr als 30 Jahrejüngeren Ex-Sekretärin Nicoletta Mantovani. 2003 kam bei der Geburtvon Zwillingen ein Kind ums Leben, Ende des Jahres folgte schließlichdie Hochzeit.
Und jetzt? Schlecht, sehr schlecht sei es ihm zeitweise gegangen,er musste sich am Halswirbel operieren lassen, war zeitweise fastgelähmt. Jetzt stehen wieder Konzerte an - zwei Tage nach demGeburtstag in Stuttgart, dann in Australien und in Neuseeland. Seingrößter Wunsch sei es, nochmal zu einem Abschiedskonzert in der«Scala» aufzutreten. Doch schon vor ein paar Jahren, beim 40.Bühnenjubiläum in Modena, konnte er vor dem Publikum nicht verhehlen,wie schwer ihm der Abschied fällt: «Jetzt gehe ich nach Hause undweine.» Das klingt nicht nach einem «finale furioso».