Lothar Zitzmann Lothar Zitzmann: Lehrstücke der Malerei
jena/MZ. - Sein "Weltjugendlied" hing im Palast der Republik, seine "Läufer vor dem Ziel" zierten die DDR-Olympiasondermarken: Lothar Zitzmann (1924-1977) war unter den Malern der DDR gewiss kein Außenseiter, aber die Bekanntheit kam spät, wenn nicht posthum. Wer die knapp 80 Bilder abschreitet, die Jena als die Stadt seiner Jugend 35 Jahre nach seinem frühen Tod jetzt in einer Ausstellung präsentiert, der wird in diesem Werk die Zeitumstände unweigerlich mitschwingen, am Künstler aber auch abprallen sehen. Zitzmann, sein kreatives Leben lang unterwegs zu einer entpersönlichten, bereinigten, formstrengen, analytischen und methodischen figürlichen Malerei, wollte aus der Zeit gehoben sein. Letztlich ist ihm das auch gelungen, und die Ausstellung bezeugt es - Zitzmann ist für seine Epoche eine singuläre Erscheinung, ein Kraftakt an Eigenständigkeit und Sendungsbewusstsein, jedoch ohne die Pose des Dissidenten.
Jenas Städtisches Museum schöpft aus eigenen Beständen und etlichen Privatsammlungen, kommt aber über eine wohlwollende Hommage nicht hinaus. Spätestens der 90. Geburtstag, der 2014 ansteht, sollte Anlass für eine Retrospektive sein, die Zitzmanns Strahlkraft, Bilderforschung und Lehrprinzipien gleichermaßen in den Blick rückt.
Der Aufruf dazu muss außer an Jena vor allem an Halle gehen, wo er ab 1959 achtzehn Jahre lang bis zu seinem Tod an der Kunsthochschule Burg Giebichenstein Dozent, schließlich Leiter der Grundlagenlehre war. Sein pädagogisches Konzept füllt Bände, wurde aber erst posthum veröffentlicht, dabei immer wieder überarbeitet. Es ist ein heroischer Versuch, den Akademismus noch einmal neu zu beleben. Eine ganze Generation jedenfalls ging durch seine Schule, berief sich auf ihn - ob sie ihn auch verstand, sei dahin gestellt.
Bestrickend sind die Selbstporträts des jungen, anziehend schönen Mannes, mal sommerlich leicht bekleidet an der Staffelei, mal mit "Orangener Blume" in der Hand. Der Blick ist wach und suchend, doch die Maske liegt griffbereit, womit ein zeittypisches Grundthema früh Einzug hält. Unmittelbar nach dem Krieg ertastet er seinen Weg, begnadet als Kolorist von Anfang an. Kurz irrt er ab ins Mystische, aber die an Karl Hofer orientierte Sachlichkeit hält ihn auf Kurs. Auch von Hans von Marees und Cezanne sind Einschläge zu sehen. Ein "Stillleben mit Birnen" setzt kühle Grüntöne vor gebrochene Flächen von Weiß, die Gegenstände sind kräftig schwarz umrissen. 1954 malt Zitzmann in dieser Manier eine unbelebte Straßenszene in seiner neuen Heimat, die Seebener Straße unweit der Burg Giebichenstein, im Ausgestorbensein Möhwaldsche Häuserfluchten vorwegnehmend.
Was Zitzmann anstrebt, formuliert er in Halle in seinen Lehrschriften. Ein Satz von ihm liefert der Ausstellung den Titel: "Ich möchte Einfachheit des Ausdrucks, eine Form ohne Verzierungen, einen lapidaren Realismus." Mit Realismus verband sich damals nur ein mögliches Adjektiv, doch Zitzmann beerdigt das Dogma. Entsprechend lässt man seine Bilder nicht in die Bezirksausstellungen. In Jena schafft er Wandmosaiken, Ruderer in dynamischer Bewegung. Seine Tafelbilder zeigt er kaum jemandem. Erst 1976 kommt es zu einer einzigen Ausstellung zu Lebzeiten und zum Auftragswerk für den Palast der Republik.
Es ist ja auch kaum zu übersehen, dass seine Bilder dem vorherrschenden expressiven Naturalismus, erst recht dem Appellatorischen, eine andere Schule entgegensetzen. "Empfindung (Junges Paar)" zum Beispiel entzieht dem Thema Jugendliebe vier Jahre nach Walter Womackas DDR-Ikone "Paar am Strand" alles Anekdotisch-Süßliche und beschränkt sich auf zwei abstrahierte Figuren in Knielänge, die rahmenfüllend einander gegenüber stehen und sich zart an den Armen berühren. Anstelle von Fleischlichkeit zeigt er geometrische Körper und anstelle von Licht-, Wasser- und Sand-Tönen eine beschränkte Palette von Blau und Weiß. Wo die Malerei seines Umfelds an Beckmann, den frühen Picasso, an Grosz und Dix anzuknüpfen sucht, leitet Zitzmann seine figürliche Ökonomie und Geometrie von Oskar Schlemmers Bauhaus-Puppengestalten her, seinen Hang zum Monumentalen vom Picasso der 30er Jahre. Als Lehrer wiederum setzt er die Begrenzung der Mittel in Bezug zur Bandbreite künstlerischer Haltungen. Seinen Unterricht lassen die 17 Lehrstücke erahnen, die ein Motiv ("Zwei Frauen") in verschiedenen stilistischen Modi durchspielen.
In seinen Bildern aber ist die hermetische Komposition und die Verschränkung der Figuren seine Welt, ob in Karnevals- und Maskenmotiven oder den monumental gesteigerten Frauenakten. Er kann bei aller voluminösen Schwere anrührend sein, wenn Kinder sein Motiv sind, aber auch pathetisch überzuckert, wo er (mit einem Brecht-Thema, und letztlich der Schiller-Ode im Palast der Republik) ins Literarische schweift. Der Theoretiker Zitzmann hat jedenfalls nie schulisch-trocken gemalt, vielmehr eine hoch kultivierte malerische Finesse in seine klassisch strengen Formen gegossen.
Städtische Museen Jena, Markt 7, bis 17.2. Di, Mi, Fr 10-17, Do 15-22, Sa, So 11-18 Uhr, Katalog 18 Euro