Loriot Loriot: Gott und andere Institutionen
brandenburg/MZ. - Wenn eine Stadt sich eines berühmten Sohnes (oder einer berühmten Tochter) erinnert, so geschieht dies natürlich nicht frei von Eigennutz: Es strahlt ein wenig vom Glanz des Promis auf seinen Herkunftsort zurück. Vollzieht sich das Gedenken aber derart liebevoll wie jetzt in Brandenburg an der Havel, wo der große Humorist und Menschenfreund Loriot alias Bernhard-Victor (Vicco) von Bülow am 12. November 1923 geboren worden ist, gibt es allen Grund, sich mitzufreuen.
Im Bürgerhaus Altstadt haben Brandenburger Freunde Loriots, unterstützt von dessen Tochter Susanne von Bülow, anlässlich seines ersten Todestages am 22. August eine sehenswerte Ausstellung eingerichtet. Aber damit nicht genug - die ganze Stadt ist von Loriot in Besitz genommen worden, mehrere Korrespondenzstandorte, zum Beispiel der Dom, sind mit der Schau in der Bäckerstraße vernetzt. Und dem Altstädtischen Rathaus schräg gegenüber sitzt lebensgroß aus Holz geschnitzt einer von Loriots großartigen Knollennasenmännern, als wollte er das Treiben dort im Blick behalten.
Die Ausstellung selber widmet sich unter dem Titel "Moooment! Loriot - der Brandenburger in Brandenburg" den ersten Lebensjahren des Künstlers und seiner späten Heimkehr als "nicht verlorener Sohn" (Loriot) im Jahr 1985. Der Sohn des Polizeileutnants Johann-Albrecht Wilhelm von Bülow (1899-1972) und dessen erster Ehefrau Charlotte Mathilde Luise, geborene von Roeder, wuchs ab 1927 in Berlin auf, zunächst bei Großmutter und Urgroßmutter - nach der neuerlichen Heirat des 1928 geschiedenen Vaters wieder bei ihm.
Dass die Schau in Brandenburg sich ganz auf Loriots Kinderjahre und auf die 1985, noch zu DDR-Zeiten also, begonnene Wiederbegegnung mit seiner Heimatstadt konzentriert, ist eine kluge Entscheidung gewesen. So gewinnt das Gezeigte und Bezeugte eine starke Authentizität, Text-, Ton- und Bild-Dokumente sind mit dem Ort verbunden, wobei es an Belegen für Loriots köstlichen, hintergründigen Humor ebensowenig mangelt wie an jenen für das Groteske der DDR-Bürokratie, die dem Besuch des "Klassenfeinds" ja zustimmen musste, auch wenn die Evangelische Kirche die Ausrichterin der damaligen Schau war.
Den Anstoß für die Unternehmung, die dann noch hohe und höchste Stellen beschäftigen sollte, hatte die Leiterin des Brandenburger Dom-Museums, Gerda Arndt, gegeben. Sie war begeistert von Loriot und lud ihn am 17. November 1982 schriftlich ein: "Wie wäre es mit einer Loriot-Ehrung in Ihrer Vaterstadt Brandenburg? Ist der Gedanke so vermessen? Ich sehe Schwierigkeiten: Da wäre als größtes Hindernis die Grenze...".
So war es. Und die diversen Genossen der diversen Behörden waren auch Hindernisse. Schließlich aber zog der Plan doch immer weitere Kreise, zuletzt machte sich der "deutsche demokratische Altbischof" (Loriot) Albrecht Schönherr höchstselbst auf nach Bayern an den Starnberger See, wo er einen Stapel Zeichnungen in Empfang nahm und damit zurück nach Brandenburg reiste.
Am 18. Mai 1985 war es dann soweit: Loriot erschien zur Eröffnung der Ausstellung im Dom zu Brandenburg, Volkspolizei, Stasi und SED-Natschalniks hatten alle Hände voll zu tun. Statt einer innerkirchlichen Veranstaltung mit 250 geladenen Gästen wurde allerdings ein großer Bahnhof daraus, von überall her aus der DDR waren die Fans des Zeichners und Autors angereist. Und die Hüter der Sicherheit beklagten sich im Nachhinein bitterlich. So schrieb man aus der SED-Bezirksleitung Potsdam dem Genossen Honecker, die Veranstaltung sei "von seitens der Kirche" von vornherein im innerdeutschen Sinne angelegt worden, man selbst vor vollendete Tatsachen gestellt.
Ach, und wie sehr das Volk diese innerdeutsche Begegnung genoss! "Ich bin stolz, einer von Ihnen, ein Brandenburger zu sein", sagte Loriot im Dom, dann dankte er "dem lieben Gott und anderen wichtigen Institutionen in diesem Land für die wohlwollende Duldung". Man kann die Rede in der Schau nachhören und kommt nicht umhin, sich dem befreienden Gelächter von damals auf der Stelle anzuschließen. Danach setzte Loriot, der seine Gastgeber gewiss nicht in Verlegenheit, aber das Publikum auch nicht um den erwarteten Spaß bringen wollte, zu seiner berühmten Rede an, wie sie in Parlamenten üblich sei:
"Politik bedeutet, und davon sollte man ausgehen, das ist doch - ohne darumherumzureden - in Anbetracht der Situation, in der wir uns befinden...".
Die Brandenburger Schau will nicht den ganzen Loriot abschließend erklären, sie zeigt ihn als Sohn seiner Stadt - und in diesem Ausschnitt sehr präzise als den, der er war: Ein Mann von wachem Geist, großem Witz und nobler Gesinnung.
Bürgerhaus Altstadt, Bäckerstraße 14, bis 16. Dez., Di-So 10-18 Uhr