London London: Lebende Denkmäler am Trafalgar Square

London/dpa. - Auf einemder berühmtesten Plätze der Welt wird der 26-jährige Brite genausowie tausende andere Menschen auch im Sommer auf einen Denkmalsockelklettern und sich zur Schau stellen. Hierbei handelt es sich jedochnicht um die Selbstdarstellung exhibitionistisch veranlagterMenschen. Es handelt sich um Kunst.
Der britische Künstler Antony Gormley hat das Projekt ins Lebengerufen. Vom kommenden Montag (6. Juli) an werden sich Freiwillige100 Tage lang im Stundentakt auf der sogenannten «Fourth Plinth»,einem leeren Sockel auf dem Trafalgar Square, abwechseln. Auf demriesigen Sockel, der eigentlich für eine Reiterstatue vorgesehen war,darf nun das Volk tun und lassen, was es will. Nur legal muss essein. «Das Ziel ist es, die Einzigartigkeit jedes Einzelnen zufeiern», erklärt Gormley. Das Volk wird auf die Stufe der Mächtigengestellt.
Die Kandidaten werden per Zufall aus allen RegionenGroßbritanniens ausgewählt. Melden kann sich jeder, der im Königreichwohnt. «Einen Schnitt durch Leben und Zeit» will Gormley zeigen. DerBildhauer und Turner-Preis-Gewinner ist durch monumentale Skulpturenwie den «Angel of the North», eine riesige Engelsfigur inNordengland, in seiner Heimat bekannt wie ein bunter Hund. Das halfauch, Massen von Bewerbern anzulocken. Für die erste Runde im Juliwurden aus 13 000 Interessenten 615 ausgewählt. Bis Oktober sollensich insgesamt 2400 Menschen auf die Säule stellen, die in derwestlichen Ecke vor der Nationalgalerie steht. Die «Fourth Plinth»wurde 1841 gebaut - für das Denkmal oben drauf ging dann allerdingsdas Geld aus. Heute wird der «vierte Sockel» regelmäßig fürWechselausstellungen genutzt. Zuletzt war dort der deutsche KünstlerThomas Schütte mit einem Architekturmodell zu sehen.
Unter den kommenden «lebenden Denkmälern» ist sowohl einArchitekt, der auf einem Fahrrad sein pinkfarbenes Kostüm zumLeuchten bringen will, als auch eine junge Frau, die mit Champagnerund Torte ihren 20. Geburtstag auf dem Sockel feiern will. Eine 83-Jährige möchte gerne in ihrem Rollstuhl auf der Riesensäule Flaggenschwenken, und ein anderer Mann will den Sockel abschrubben. Vielewollen «einfach nur dastehen», andere wissen noch gar nicht, was siemit der Stunde vor den Augen von tausenden Touristen anstellenwollen. «Ich habe mich beworben, weil noch niemand in meiner Familieauf einen Sockel erhoben wurde. Wir sind keine Generäle, Gutmenschen,Wissenschaftler oder Politiker - also war das meine Chance», erklärtJilly, eine Londoner Teilnehmerin.
Das Projekt reiht sich in die wachsende Zahl von «Mit-Mach-Kunst»,bei der sich die Öffentlichkeit vergnügen soll. So ließ zum Beispielder deutsche Künstler Carsten Höller schon 2006 die Besucher der TateModern durch eine Riesenrutsche rutschen. Gormleys Aktion sei «einweiteres Beispiel für die Marotte der "Spaß-Kunst"», schrieb derKunstkritiker der Zeitung «Daily Telegraph», Richard Dorment.
Für die Teilnehmer gilt es nun aber zunächst, mitten in der Nacht,bei strömenden Regen oder in der Mittagshitze als Ausstellungsobjektauszuharren. Denn: «Man kann nicht nach fünf Minuten sagen, mir istschlecht, ich will runter», erklärt Gormley. «Sie sind ein lebendesDenkmal, dafür muss man ein Opfer bringen.» Und so bringt Parsons-Barker in seinem «Kacka-Anzug» sein Opfer. Den zweiten Teil seinerPerformance will er allerdings im Fischkostüm verbringen.