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Literatursommer Literatursommer: Es war einmal in meines Vaters Land

Von Christian Eger 08.07.2004, 16:55

Halle/MZ. - Und Wibke Bruhns - elegant im eng geschnittenen schwarzen Anzug - saß auf dem mit schwarzem Tuch ausgeschlagenen Podium, eine buchstäbliche Schirmherrin, der immer noch eine letzte Frage zuflog. Wie hat die Wehrmachtsgeneration auf ihr Buch reagiert? Wäre das Buch ohne die Wiedervereinigung möglich gewesen? Die Alten hätten sich sehr bedankt, sagt die Autorin. Und ohne das Jahr 1989 wäre dieses Buch nicht möglich gewesen, weil zum Beispiel erst nach der Wende das Archiv ihres Großvaters, des Halberstädter Unternehmers Kurt Klamroth, unter dem Dach der Halberstädter Liebfrauenkirche entdeckt worden ist. "Meines Vaters Land" (Econ, 360 Seiten, 22 Euro) heißt das Buch (MZ vom 20. März und 7. Juli), in dem Wibke Bruhns die Lebenswelt ihres Vaters, des im August 1944 wegen Hochverrats hingerichteten Abwehroffiziers Hans Georg Klamroth auferstehen lässt, stets gespiegelt in der Verfasstheit der 1938 geborenen Tochter.

Das Buch ist ein überwältigender Erfolg, ein Bestseller quer durch die Generationen. Kein Zufall, dieses Buch ist Hör- und Faktenspiel, ein Denk- und Bilderbuch, ein deutsches Sittenbild im Breitwandformat. Und der Erfolg reißt nicht ab. Die Verfilmung stehe an, erzählt Wibke Bruhns am Donnerstagabend in Halle, eine Vielzahl von Übersetzungen sei im Entstehen.

Als Gast der gemeinsam von der MZ, dem Germanistischen Institut Halle, der Ebert-Stiftung und dem Studentenclub "Turm" veranstalteten Lesereihe "Kind seiner Zeit" liest Wibke Bruhns das Kapitel zwölf: die Geschichte ihrer Schwester Ursula, Jahrgang 1924, die von Bernhard Klamroth (wiederum ein Vetter zweiten Grades des Wibke-Bruhns-Vaters) 1943 geheiratet wird, jenem Mann also, der Stauffenberg den Sprengstoff für das Attentat auf Hitler besorgte.

Die ungezwungene Distanz, die Wibke Bruhns zu ihrem Vater errungen hat, zeigt sie in eigener Sache nicht immer; da meldet sich schon mal ein volkspädagogischer Zungenschlag. Die Frage, warum ihr "meines Vaters Land" nicht als das ihre gelte, beantwortet Frau Bruhns politisch: Heute herrsche - im Gegensatz zu damals - eine Demokratie, die unumkehrbar sei. Man könnte die Frage selbstverständlich auch kulturhistorisch, geistig, psychosozial, ja auch metaphysisch beantworten - und käme zu einem ganz anderen Ergebnis.

Das weiß Wibke Bruhns. Und wenn sie, wie in Halle, sagt, dass sie dieses Buch für ihren Vater und nicht für sich selbst geschrieben habe, stimmt das Gegenteil auch. Dieses Buch ist ein Buch der rückgreifenden Landnahme: der Geschichte, der Region, der Herzen auch.

Donnerstag, 14. Juli, liest Roswitha Haring: 19.30 Uhr im "Turm". Der Eintritt ist frei