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Literatur Literatur: Zwei Bücher widmen sich Autoren und ihren Lieblingssongs

Von Fajsz Deáky 17.05.2005, 06:17
Elke Heidenreich. (Foto: dpa)
Elke Heidenreich. (Foto: dpa) dpa/dpaweb

Hamburg/dpa. - Mal sehr persönlich, mal bissig oder einfach nur nett und lockererzählen Heinz Rudolf Kunze, Konstantin Wecker, Reinhard Mey,Wolfgang Niedecken oder Ex-Ärzte-Bassist Hagen Liebing, warum geradedieses eine Lied, dieser Text oder auch nur diese Textzeile für sieeine besondere Bedeutung haben. Manchmal erinnern sie sich dabei ansVerliebtsein, an Momente ihrer Kindheit und häufig an Rebellion undAufbruch der Sechziger.

So habe die Zustimmung der Erwachsenen für die Beatles WolfgangNiedecken weg von den «Fab Four» getrieben: «Zu dumm, dass unsereEltern sie akzeptierten und uns somit, ohne es zu wollen, in dieFänge der Rolling Stones trieben. Laut ungepflegt und ordinär fandmeine Mutter die, absolut inakzeptabel. Na also, ging doch!» Späterhabe ihn der Text des Dylan-Songs «Like a Rolling Stone» dann dazugebracht, Gitarre statt Bass zu spielen und eigene Texte zuschreiben.

Vom Inhalt der Geschichten sind sich beide Bücher sehr ähnlich.Die meisten Beiträge zeichnen zwar eine nette Episode aus dem Leben,den Beziehungen und dem Musikgeschmack der Autoren, manche sind abereher ein Seitenhieb auf das verkrampfte Festhalten an vergangenenLebensgefühlen oder eine Absage an den Begriff des Lieblingsliedes ansich. Im Unterschied zu «Mein Song» enthält «Mein Lieblingslied»allerdings eine CD mit den besprochenen Titeln.

Songwriter Tom Liwa (Ex-Flowerpornoes) skizziert in «Mein Song»den Versuch eines Normalbürgers im mittleren Alter, sich mit einemHeroin-Trip und der schwedischen Retro-Beat-Band The Libertines inseine «wilden Jahre» - die eigentlich nur aus Dosenbier bestanden -zurück zu katapultieren. Und Dramaturg Thomas Brussig nennt in seinemBeitrag im Buch «Mein Lieblingslied» gleich mehrere Songs, die ihnbegleitet haben: «Another Brick in the Wall», «Jumpin? Jack Flash»oder «Jenseits von Eden». Ein einzelnes Stück könne er dabei nichtwählen: «Ein Lieblingslied zu benennen ist ungefähr dasselbe wie eineHenkersmahlzeit zu ordern.»

Tragisch dagegen ist die Geschichte des Chansons «Du hast Glückbei den Frau'n, Bel Ami» der Schriftstellerin Esther Bejarano in«Mein Song». Als Mädchen im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau habedieses Lied ihr das Leben gerettet - sie habe es gespielt, um in dasMädchenorchester des Lagers aufgenommen zu werden. Das Orchester habespäter auf Anweisung der Nazis die ankommenden Züge mit Musikbegrüßt. «Wir spielten um unser Leben und wussten, dass die Zügedirekt zu den Gaskammern rollten.» Nach dem Krieg wurde sieKoloratursopranistin. «Das Lied vom "Bel Ami" habe ich seitdem niemehr gespielt.»

Steffen Radlmaier (Hrsg.): Mein Song, Texte zum Soundtrack desLebens,Ars vivendi Verlag, Cadolzburg,384 S., Euro 19,90ISBN 3-89716-534-1

Susanne Halbleib Mein Lieblingslied Songs & Storysund George Lindt (Hrsg.): Krüger Verlag Frankfurt/Main256 S., Euro 16,90ISBN 3-8105-1130-7