Literatur Literatur: Vielarbeiter ohne Berührungsängste
Frankfurt/Main/dpa. - Drei Buchprojekte sind in Vorbereitung,außerdem arbeitet er an zwei Drehbüchern: Bodo Kirchhoff, der am 6.Juli 60 Jahre alt wird, gehört zu den produktivsten AutorenDeutschlands. Mit Bestsellern wie «Infanta» oder «Parlando» kann ernicht nur auf ein umfangreiches literarisches Werk verweisen. OhneBerührungsängste hat er auch immer wieder fürs Kino und Fernsehengearbeitet, vom Buch für den «Tatort»-Krimi bis zu Projekten («Meinletzter Film») mit Hannelore Elsner.
Kirchhoff ist ein Vielarbeiter mit einem Zwölf-Stunden-Tag - ebenein «Workaholic», wie er selbst sagt. Ob in Frankfurt oder in seinemHaus am Gardasee, wo er die Hälfte des Jahres lebt: Das Thema Sprachelässt ihn nie los. Literatur könne mehr über die Menschen und ihreBefindlichkeiten aussagen als alles andere, sagt Kirchhoff. «Nur überRomane kommt man dem Fremden, dem Anderssein des Anderen, näher.»
In den Romanen und auch Drehbüchern Kirchhoffs geht es dabei umdie großen Themen des Lebens: Die Suche nach Liebe und Geborgenheit,obsessiver Sex, Gewalt sowie Schicksalsschläge wie Krankheit, Tododer Unfall. Dabei wählt der vielgereiste Autor gerne auch exotischeSchauplätze wie in seinem auch international erfolgreichen Roman«Infanta», einer Liebesgeschichte eines Deutschen mit einerPhilippinin. «Es geht immer um das Spannungsfeld zwischen demAlleinsein mit sich selbst und seinen Abgründen und dem Wunsch nachGeselligkeit, Liebe und Zuneigung», beschreibt Kirchhoff selbst denFokus seiner Bücher.
1948 als Sohn einer Schauspielerin und eines Geschäftsmannes inHamburg geboren, wächst Kirchhoff in der Nähe von Freiburg imSchwarzwald auf. Nach der Trennung seiner Eltern besucht er einInternat am Bodensee. In Frankfurt studiert er später Psychologie undSoziologie und lässt sich nach der Promotion Ende der 70er Jahre alsSchriftsteller nieder. In Romanen wie «Parlando», das auch amBodensee und Gardasee spielt, nützt er gerne autobiografischesMaterial zum «Fabulieren», wie er sagt. Zum persönlichsten BuchKirchhoffs wurde «Eros und Asche», in dem im vergangenen Jahr seineBeziehung zu einem engen Freund nach dessen Tod beschrieb.
Kirchhoff gilt heute als einer der wichtigen Autoren Deutschlands,zu Beginn seiner literarischen Karriere tat sich die Kritik mitseinen narzisstischen Helden jedoch schwer. Seit seinem Erscheinenseines Erzählbands «Die Einsamkeit der Haut» (1981) stand Kirchhoffim Ruf des «eitlen Erotomanen» - zuständig für die Rotlichtviertelder deutschen Prosa. Dazu passte das Macho-Image Kirchhoffs. DerAutor selbst spricht heute von seinem «Vorstrafenregister».Inzwischen habe man gemerkt, dass er es immer «ernst gemeint» habe.
In der Tat passt Kirchhoff - nach eigener Aussage «kein einfacherMensch» - auch in keine Schablone: Er ist einerseits im TV-Geschäftgut vernetzt und mit Prominenten wie Hannelore Elsner gut befreundet.Auf der anderen Seite scheut er das Rampenlicht - Talkshows meidet erzum Beispiel. Für den Hessischen Rundfunk hat er 2004 aber selbsteine Bücher-Talkshow («Parlando») gemacht, in der mehr oder wenigerprominente Leser ihr Lieblingslektüre vorstellten. Doch zum LeidwesenKirchhoffs, der noch heute von diesem Format überzeugt ist, wurde dieSendung nach vier Ausgaben wegen schwacher Quote abgesetzt.
Dem Literaturbetrieb steht Kirchhoff, der zusammen mit seiner FrauSchreib-Workshops am Gardasee anbietet, kritisch gegenüber. «EinBuch, das nicht als "Event" daherkommt, hat es heute absolut schwer»,sagt Kirchhoff, der zu viele Preise und Vergünstigungen in derdeutschen Literatur-Szene bemängelt. Es könne oft bis zu einem halbenJahrhundert dauern, bis der literarische Rang eines Autors wirklicherkannt werde, meint er. Was ihn angeht, ist Kirchhoff eherPessimist. «Ich glaube, dass da nicht viel bleibt», sagt er und hofftzugleich, dass er noch 20 Jahre weiterarbeiten kann. Der rundeGeburtstag ist für ihn kein großer Einschnitt. Kirchhoff will ihnaber mit seiner Familie - er hat zwei Kinder - sowie Freunden undKollegen am Gardasee entsprechend feiern.