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Literatur Literatur: «Verfassungsfeind» und sensibler Erzähler feiert Geburtstag

Von Wilfried Mommert 20.04.2005, 07:16
Der deutsche Schriftsteller Peter Schneider gehörte neben Rudi Dutschke zu den Wortführern der 68er Studentenrevolte. Schneider wird am 21. April 2005 65 Jahre alt. (Foto: dpa)
Der deutsche Schriftsteller Peter Schneider gehörte neben Rudi Dutschke zu den Wortführern der 68er Studentenrevolte. Schneider wird am 21. April 2005 65 Jahre alt. (Foto: dpa) Zentralbild

Berlin/dpa. - Schneider war einer der ersten in der rebellischenAußerparlamentarischen Opposition (APO) Ende der 60er Jahre, der auchdie unabhängige Individualität der politischen Aktivisten verteidigteund zum Beispiel nach den nächtlichen Träumen eines Karl Marx fragte:«Warst du eigentlich glücklich?» Schneider wurde nicht müde, sich undseinen Mitstreitern diese Frage immer wieder zu stellen. Es könnedoch nicht wahr sein, «dass alle diese Genossen mit ihren heimlichenWünschen und ihren schwierigen und aufregenden Lebensgeschichtennichts weiter voneinander wissen wollen als diese sauberen Sätze vonMao Tse-tung.» Wenn jemand schon früh den Weg vieler Genossen inbürgerliche Karrieren verfolgte und beschrieb, dann war es PeterSchneider.

Der frühere Verleger und Kulturstaatsminister Michael Naumann(SPD) spricht von einer «verlässlichen Freundschaft», wenn erSchneider in einer Festschrift des Rowohlt Berlin Verlages zum 65.Geburtstag des Autors würdigt. Schneiders erster Verleger KlausWagenbach nennt ihn seinen «alten Kampf-, Leidens- undLiteraturgenossen».

«Spiegel»-Chef Stefan Aust erinnert an den «leisen Agitator PeterSchneider, damals, vor 38 Jahren, als die rebellierenden Studentendie Republik aufmischten». Er sei «mittendrin» gewesen, in der Apo,«aber er war kein blinder Ideologe». Schneider sei nicht auf den«Marsch durch die Institutionen» gegangen und habe nicht «jeder Wendeseiner Persönlichkeit das Gütesiegel einer folgerichtigenhistorischen Entwicklung gegeben, die aus steinewerfendenHausbesetzern staatstragende, die Last der Welt schulterndeAußenminister machte oder aus linken Anwälten stramme Innenminister».

Schneider wurde Anfang der 70er Jahre nach dem Staatsexamen als«Verfassungsfeind» im Zuge des berüchtigten Radikalenerlasses (unterWilly Brandt) der Eintritt in den Schuldienst verweigert. SeineErfahrungen damit schrieb er 1975 in dem Buch «...schon bist du einVerfassungsfeind» nieder.

Bei allem gesellschaftspolitischen Rebellentum plädiert Schneiderhartnäckig dafür, «die Welt mit den Sinnen zu erobern». Dass derAutor in seinem gerade erschienenen Buch «Skylla» (Rowohlt Berlin)wieder an italiensche Schauplätze zurückkehrt, an die es schon seinen«Lenz» verschlagen hatte, ist ein deutlicher Fingerzeig in dieseRichtung. Auch das Trauma der Deutschen, doch immer nur «Pseudo-Revolutionen» anzuzetteln, trieb Schneider umher, der nicht zufälligin den letzten drei Jahrzehnten auch so etwas wie eine «literarischeChronik Berlins» geschrieben hat. Sein erster Roman «Paarungen» kam1992 heraus, es folgten «Eduards Heimkehr» (1999) und jetzt «Skylla»über einen Berliner Anwalt und die Folgen und Verdrängungen der 68erStudentenbewegung.