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Literatur Literatur: Sohn von Anna Seghers veröffentlicht seine Erinnerungen

14.03.2005, 08:06
Die Schriftstellerin Anna Seghers an ihrem 80. Geburtstag am 19.11.1980 in Berlin. (Foto: dpa)
Die Schriftstellerin Anna Seghers an ihrem 80. Geburtstag am 19.11.1980 in Berlin. (Foto: dpa) dpa

Berlin/dpa. - Pierre, französischer Physiker, der wie seine zwei Jahre jüngereSchwester in Berlin geboren wurde, wohin die Eltern bald nach ihrerHochzeit zogen. Nach Machtantritt der Nazis 1933 verließ die doppeltgefährdete Familie - Seghers und ihr Mann Laszlo Radvanyi warenMitglieder der Kommunistischen Partei und Juden - Deutschland, um inFrankreich zu leben. Flucht und Verfolgung sollten sie bis Mexikoführen. Die Berichte über die Emigrationsjahre stehen im Mittelpunktdes Buches.

Da ist die zärtliche Mutter, die wunderbar Geschichten zu erzählenweiß und die den täglichen Kampf für ein «normales Leben» der Kindernahezu allein führt. Als der Vater im April 1940 in Frankreich ineinem Lager interniert wird, übernimmt der 14-jährige die Rolle desHelfers und Beraters. Teile ihres Erfolgsromans «Das siebte Kreuz»,mit dessen Erscheinen 1942 sie schlagartig weltberühmt war, schriebSeghers wahrscheinlich in Pariser Cafés am Boulevard Saint-Germain,verrät Pierre. Mit einem einzigen Milchkaffee habe sie einen ganzenVor- oder Nachmittag durchgehalten. Den Lärm empfand sie eher als«eine Art Schutzwand».

Erwähnung findet der weltweite Freundes- und Bekanntenkreis,darunter Bertolt Brecht und Helene Weigel, Egon Erwin Kisch, JorgeAmado, Pablo Neruda und Franz C. Weiskopf. Anders als Seghers, diesich in den ersten Nachkriegsjahren für eine Rückkehr in den OstenDeutschlands entschied, wählte der junge Radvanyi Frankreich als neueHeimat. Seine Mutter habe seine Entscheidung akzeptiert. Sie selbsthabe trotz aller Konflikte an das «neue System glauben» wollen. «Siesah aber allmählich, dass es nicht funktionierte.» Das Resümee vielergemeinsamer Gespräche bei seinen regelmäßigen DDR-Besuchen hätte sichder Leser seiner Erinnerungen gern ausführlicher gewünscht.

Als eine der «letzten großen Freuden ihres Lebens» nennt Pierredie Verleihung der Ehrenbürgerschaft ihrer Geburtsstadt Mainz. Nebenihrer umfangreichen schriftstellerischen Arbeit war SeghersPräsidentin des ostdeutschen Schriftstellerverbandes (1952-1978).Erst 20 Jahre nach ihrem Tod legte der Berliner Aufbau-Verlag eineerste umfassende Biografie vor.

Pierre Radvanyi: Jenseits des Stroms Aufbau-Verlag Berlin 153 S., Euro 15,90 ISBN 3-351-02593-9