Literatur Literatur: Nazi-Roman auf Anhieb in den Bestsellerlisten
Berlin/dpa. - Genaue Verkaufszahlen konnte der Berlin Verlag am Freitag noch nicht mitteilen. Das Werk war amvergangenen Samstag mit einer Startauflage von 120 000 Exemplaren indie Läden gekommen. 80 000 Bücher seien vorbestellt gewesen, sagteein Verlagssprecher. Unterdessen erregte der erste und einzigeöffentliche Auftritt Littels in Deutschland am Donnerstagabend inBerlin großes Aufsehen.
Der Autor stellte im Berliner Ensemble, der legendären ehemaligenBrecht-Bühne, seinen Roman vor. Dabei sprach er mit dem Grünen-Politiker und Publizisten Daniel Cohn-Bendit über das Buch, in demein fiktiver homosexueller SS-Offizier ohne Reue auf den Holocaustzurückblickt, über die Geschichte und Erklärungen für denNationalsozialismus. «Die Kinder (der Täter) haben Probleme, und dasverstehe ich sehr gut», sagte Littell. Es sei offensichtlich, dassdie Deutschen viel für die Aufarbeitung der Verbrechen getan hätten.
In Frankreich gilt das Buch, das mit dem bedeutendstenfranzösischen Literaturpreis Prix Goncourt ausgezeichnet wurde, alsliterarische Sensation; 800 000 Exemplare wurden verkauft. InDeutschland wird das Werk ebenfalls viel diskutiert, das Echo istallerdings geteilt.
In Berlin zeigte sich Littell, der als öffentlichkeitsscheu gilt,recht spröde und steckte sich als erstes auf der Bühne einenZigarillo an. Er taute immer dann auf, wenn die Debatte sich von demRoman löste; zuweilen fing sich Moderator Cohn- Bendit den Spott desAutors ein. Littell war anzumerken, dass er nicht gern über sein Werkspricht, sondern lieber über die Theorien, die ihn beeinflussen, etwaSchriften der Philosophin Hannah Arendt oder des KulturtheoretikersKlaus Theweleit. Über die Täter im Nationalsozialismus sagte er: «Siefunktionierten innerhalb eines Systems.»
Littell erzählt in seinem Erfolgsbuch aus der Perspektive deserfundenen SS-Offiziers Max Aue, der unter einem falschen Namen inFrankreich lebt. Er ist ein hochkultivierter, schwuler Mann.Geschildert wird Aues Karriere im Nationalsozialismus, wie er alsTeil der Judenvernichtungsmaschine funktionierte und Einsätze imOsten koordinierte. «Ich bereue nichts: Ich habe meine Arbeit getan,mehr nicht», sagt Max zu Beginn des Buches.
Aus dem deutschen Text las bei der Premiere der SchauspielerChristian Berkel. Littell gab sich zurückhaltend. Als es um seineeigenen Gefühle beim Beschreiben der Greueltaten ging, meinte er,dabei denke er nicht an die Sache, sondern an Dinge wie Kommata oderden Konjunktiv. «Die Leiche ist eine grammatikalische Form», sagteer. Das sei wie bei Malern. Diese konzentrierten sich bei blutigenSzenen auch darauf, welche Farbe sie auf der Leinwand verwenden.