Literatur Literatur: Millionen lesen im neuen Harry Potter

London/Berlin/dpa. - Monatelang hatten die Fans auf diesen Moment gewartet: Pünktlich eine Minute nach Mitternacht britischer Zeit (01.01 Uhr MESZ) startete in der Nacht zum Samstag der Verkauf von «Harry Potter and the Deathly Hallows». Rund um den Globus stürmten die Anhänger des Zauberlehrlings die Buchläden, um ein Exemplar dessiebten und letzten Bandes der Saga zu bekommen. Zehn Jahre nach derVeröffentlichung des ersten Buches standen aufgeregte Fans weltweitin langen Schlangen an, im Sekundentakt gingen die Bücher über denLadentisch. Bei Potter-Partys feierten Tausende die letzte derzauberhaften Geschichten. Die deutsche Übersetzung, deren Titel nochnicht bekannt ist, erscheint am 27. Oktober.
Noch nie zuvor beschwor ein Buch einen solchen globalen Rummelherauf: Schon beim Mitternachtsverkauf wurden Rekorde gebrochen,Millionen Bücher wurden binnen weniger Stunden verkauft. «In derBuchverkaufs-Geschichte gibt es nichts Vergleichbares», sagte derSprecher der Buchkette Waterstone's, Jon Howells. Die Verkaufszahlenseien magisch. «Das ist unglaublich», sagte eine seiner Kolleginnen.«Wir hatten über das ganze Wochenende eine viertel Million Menschenin unseren Läden erwartet. Jetzt hatten wir aber schon in der erstenNacht so viele Besucher.» Der Händler WHSmith, der in Großbritanniennachts 400 Läden öffnete, verkaufte 15 Potter-Bücher pro Sekunde.
«Ich vermute, nicht einmal ein wiederentdecktes Buch vonShakespeare mit einer Titelseite, die Michelangelo gemalt hat, könnteso viel Aufregung auslösen», schrieb der Kritiker der Zeitung «DailyTelegraph» am Samstag. Auch in vielen deutschen Städten wie Berlin,Frankfurt/Main, Düsseldorf und Aachen hatten BuchhandlungenNachtschichten eingelegt. Der Verkauf begann hier wegen derZeitverschiebung zur Potter-Metropole London nicht um Mitternacht,sondern eine Stunde später. Im Berliner Kulturkaufhaus Dussmannwurden die wartenden Fans mit Butterbier, Schokofröschen undZauberwasser bei Laune gehalten. Selbst am Frankfurter Flughafenstanden die Käufer nachts Schlange: «Bei uns ist die Hölle los»,sagte ein Verkaufsleiter über den Andrang im dortigen «k Bookstore».
Nicht nur für die Buchhändler, auch für die Liebhaber derGeschichten aus der Zauberschule Hogwarts war es die Nacht derNächte: Allein auf der größten britischen Potter-Party feierten imFlaggschiffladen in London mehr als 7000 Menschen. Harrys SchöpferinJoanne K. Rowling trug bei ihrer Mitternachts-Lesung im LondonerNaturkundemuseum sichtlich bewegt das erste Kapitel vor.
Auch in vielen anderen Städten waren die Menschen unterwegs, umein Buch zu ergattern, gemeinsam zu feiern oder sich sofort insLesevergnügen zu stürzen. In New York amüsierten sich die Menschenbei einem Fest mit Jongleuren, Feuerschluckern und Zauberern. DieSchlange der oft bunt kostümierten Fans vor einem Buchladen am UnionSquare war so lang, dass die Polizei für Sicherheit sorgen musste.Die Stadt Peninsula im US-Bundesstaat Ohio wirkte mit ihrenDekorationen wie eine Kulisse für die Zauberer-Saga. Der größtedeutsche Harry-Potter-Fanclub hp-fc feierte in der Zitadelle Spandauin Berlin.
Auf vielen Partys zogen sich die Fans allerdings rasch zum Lesenzurück. Während die 55-jährige Schnell-Leserin Anne Jones aus dembritischen Leicester gerade mal 47 Minuten brauchte, um die 199 900Wörter auf 607 Seiten zu lesen, begann für viele andere Anhänger einelange Nacht. «Ich schließe mich gleich zusammen mit meiner Schwesterim Badezimmer ein», sagte Sophia Papanicols (16) aus London. Die 23Jahre alte Anna Gallen legte gleich in der Londoner U-Bahn mit derLektüre los: «Ich habe zwei Jahre darauf gewartet.»
Auch in Österreich, den Niederlanden, Belgien und Frankreichmachten sich die Freunde des Zauberlehrlings zur Geisterstunde überdas Buch her. In Australien hatte eine Buchhandelskette eine Fahrtmit einer Dampflok für rund 1500 Fans organisiert. Der britischeBotschafter in Thailand, auf dem Kopf einen Zauberhut, überreichte inBangkok das Buch an den ersten Kunden. In Buchhandlungen Brasilienskam es zu Tumulten, weil die Exemplare schnell vergriffen waren.Ungestört verlief der Verkaufsstart dagegen in Israel. Zuvor hatte esProteste wegen der Störung der Sabbat-Ruhe gegeben.
«Alle Geheimnisse, die ich so lange mit mir herumgetragen habe,werden nun auch Eure sein», schrieb Rowling auf ihrer Internetseite.Aus der Lektüre wird nun auch die Bedeutung der rätselhaften «DeathlyHallows» klar: Reliquien der Toten, die ihren Besitzer zum «Meisterdes Todes» machen.
Die Saga um den Zauberlehrling und seinen Kampf gegen das Bösenimmt ein glückliches Ende. Allerdings lässt die Autorin auf HarrysWeg zum persönlichen Glück einige lieb gewonnene Charaktere sterben.Dennoch endet das Werk mit dem Satz: «Alles war gut.» Der ein oderandere Fan mag das allerdings ob des Endes der Saga anders sehen:Cahina Lewis fragte sich am Samstag in London: «Was soll ich jetztbloß mit meinem Leben anfangen?»
