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Literatur Literatur: Marke «Käthchen von Heilbronn» ist nun geschützt

09.11.2003, 16:13

Heilbronn/ddp. - «Ein Kind recht nach der Lust Gottes, das heraufging aus der Wüsten, am stillen Feierabend meines Lebens wie ein gerader Rauch von Myrrhen und Wacholdern» - so schrieb es einst Heinrich von Kleist nieder. Seine Figur Theo, ein Waffenschmied, beschreibt damit seine Tochter, das «Käthchen von Heilbronn». Unter der Registriernummer 302 61 394 ist das «Kätchen von Heilbronn» jetzt als Marke im Register des Deutschen Patent- und Markenamtes in München eingetragen worden. Inhaber der Marke ist die Stadt Heilbronn in Form ihrer «Heilbronn Marketing GmbH».

Deren Chef Bernhard Winkler ist froh, dass die Markenrechte jetzt bei der Stadt sind. Denn er will einschreiten, «wenn jemand die Marke beziehungsweise das Käthchen missbraucht». Das ungewöhnliche Vorgehen ist nicht unbegründet: Schließlich hat sogar schon mal eine einschlägig bekannte Heilbronner Nachtbar versucht, mit einem «Käthchen-Strip» Kunden anzulocken.

Heilbronn ist in dieser Sache jedenfalls ein mehrfach gebranntes Kind. Gerade erst wurde der Versuch abgewehrt, das Stadtkürzel «HN» in Internet-Adressen von einem gewieften Patent-Inhaber ausbeuten zu lassen - dem Käthchen soll das nicht passieren. Zwar wird es schon seit Jahrzehnten vermarktet - unter anderem gibt es einen «Käthchen-Wein» und einen «Käthchen-Prosecco» und die Rose «Käthchen von Heilbronn». Und im Verkehrsamt der Stadt kann man Käthchen-Puppen im Original-Biedermeierkostüm für 25,95 oder 10,90 Euro kaufen, nebst anderen Käthchen-Souvenirs. Kritisch wurde es aber, als sich eine Unternehmerin zur Herstellung von Käthchen-Pralinen vor zwei Jahren gleich das «Käthchen von Heilbronn» dazu patentrechtlich schützen ließ.

Die aufgeschreckten Stadtoberen mussten plötzlich befürchten, dass zum Beispiel ihre seit Jahrzehnten alle zwei Jahre in einer Art «Miss-Wahl» gewählte Symbol- und Repräsentationsfigur «Käthchen» und weitere Attraktionen im Veranstaltungsbereich unter dem Käthchen-Etikett plötzlich im rechtsfreien Raum stattfinden würden. Glücklicherweise konnte man sich aber mit der Pralinen-Herstellerin gütlich einigen. Damit war nun der Weg offen, selber die Patentrechte zu erwerben.

Teuer kam es die Stadt nicht. «Es sind nur ein paar hundert Euro», die Eintragung und Überwachung der Marke gekostet haben, sagt Winkler. Er sieht damit nun vor allem die Marketing-Maßnahmen der Stadt geschützt, so wie sie die Patentschrift aufführt. Darüber hinaus will er nur dann aktiv werden, «wenn das Käthchen verhunzt wird». Aber er hofft darauf, «dass mit dem Käthchen mit Gefühl und Ästhetik umgegangen wird», wobei er sich auf das «normale Empfinden normaler Menschen» beruft. Denn die Frage nach der künstlerischen Freiheit steht bei einer literarischen Figur schon im Raum. Winkler macht sich keine Illusionen über Eingriffsmöglichkeiten. Wenn aber das Käthchen «einfach nur als Name» benutzt wird, will er schon versuchen, einzuschreiten.

Der Leiter des «Kleist-Archiv Sembdner» der Stadt Heilbronn, Günter Emig, hält den Schutz des Käthchens durch das Markenrecht an sich für vernünftig: «Es ist nicht unklug, es zu schützen, bevor es andere tun. Aber es ist schon ein Unding, dass man diese Dinge überhaupt schützen muss», sagt der Archivchef. Weniger Verständnis zeigt der Herausgeber der «Brandenburger Kleistausgabe» und renommierte Kleist-Forscher Roland Reuß aus Heidelberg. Er nennt das Ganze eher eine «Lokalposse» und befürchtet, dass Heilbronn nun die Marke Käthchen von Heilbronn «nach Gutsherrenart verwalten und gewähren» wird. Er empfiehlt der Stadt, positiv und souverän mit dem Käthchen umzugehen, darüber zu stehen und Verballhornungen einfach gelassen hinzunehmen: «Und was passiert, wenn wir plötzlich nachweisen, dass es ursprünglich 'Käthchen von Heilsbronn' geheißen hat?», fragt er scherzend.

Eine «Feuerprobe» steht schon demnächst an: Der Berliner Künstler Volker März plant eine Performance unter dem Titel «Käthchen schmeißen». Dabei will er embryoartige Tonfiguren, seine Version des Käthchens, vom Dach des Heilbronner Theaters werfen.