Literatur Literatur: Günter de Bruyn wird 80 Jahre alt

Berlin/dpa. - Er gilt als einer der bedeutendsten deutschsprachigenRomanciers und Essayisten mit einer großen Liebe zur deutschenRomantik und seiner märkischen Heimat, wovon einige seinerbekanntesten Bücher wie die Jean-Paul-Biografie und «MärkischeForschungen» beredtes Zeugnis ablegen. Ein anderer Fixstern seines Lebens ist natürlich Theodor Fontane.
Am kommenden Mittwoch (1. November) wird de Bruyn, der zu den wichtigsten Schriftstellern der untergegangenen DDR zählte, 80 Jahre alt. Es kommt nicht oft vor im «Land der Dichter und Denker», dass sich zur Literaten-Geburtstagsfeier ein Regierungschef, in diesem Fall in der Person von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in Frankfurt (Oder) angemeldet hat. Aber de Bruyn ist auch ein literarischer «Zeuge einer deutschen Zeit», die er mit programmatischen Büchern wie «Neue Herrlichkeit», «Maskerade», «Vierzig Jahre» und «Deutsche Zustände» als Autor festgehalten hat, auch wenn der menschenscheue Autor überwiegend die innere Emigration vorgezogen hat.
Manches davon waren auch Lehrstücke über das Leben in derDiktatur, mit der sich fast alle arrangierten, auch de Bruyn beialler stillen Aufmüpfigkeit und Widerborstigkeit bis hin zurBrandmarkung der Zensur in der DDR auf dem Schriftstellerkongress1987. Sie sei eine Beschädigung der Würde gewesen, meinte de Bruynspäter einmal. «Man musste zu Kreuze kriechen», alleine Grund genugfür ihn, «die DDR zum Teufel zu wünschen», auch weil er in seinerArbeit oft zu brav geblieben sei, wie er einräumte. Die von «DDR-Nostalgikern gern kreierte kulturelle Dolchstoß-Legende» sei absurd.Der 9. November 1989 mit dem Fall der Mauer sollte für de Bruyn zudem glücklichsten politischen Ereignis seines Lebens neben demKriegsende von 1945 werden.
In dem zum Teil bösartig und heftig ausgetragenen Streit derdeutschen Schriftsteller in Ost und West mit Wehklagen undTriumphgeschrei nach der Wiedervereinigung hielt sich de Bruynauffallend zurück. An ein Weiterbestehen einer deutschen Kulturnationhat er, der gerade mit dem Jacob-Grimm-Preis für seine «Meisterwerkeder deutschen Sprache» ausgezeichnet wurde, immer geglaubt. Dafür hatde Bruyn immer gelebt und geschrieben und ein zweites Leben imdoppelten Sinne geführt.
Zum einen war das Schreiben nach eigenem Bekenntnis immer eineFlucht vor dem eigenen ungenügenden Leben, um das er langeherumgeschrieben hat, zum anderen war es die Möglichkeit für dieinnere Emigration in einem Staat, den de Bruyn von Anfang an nichtanerkannte, aber auch nie direkt angegangen ist. Das Wechselspiel vonZuckerbrot und Peitsche in einer Diktatur blieb auch ihm nicht ganzfremd, bis hin zu Stasi-Kontakten, auch wenn er der «Firma»letztendlich doch die kalte Schulter zeigte. Auch ein Verlassenseiner Heimat kam dem erdverbundenen Autor, der heute in der MarkBrandenburg und in Berlin lebt, nie in den Sinn, auch wenn ermanchmal nahe dran war.
Der am 1. November 1926 in Berlin geborene de Bruynveröffentlichte 1963 mit «Der Hohlweg» seinen ersten Roman, der nochganz an den propagandistischen Vorgaben des sozialistischen Realismusorientiert war, aber immerhin hatte er 17 Jahre an diesem Buch übertraumatische Kriegserfahrungen einer jungen Generation geschrieben.1968 überraschte er dann mit seinem ersten großen Erfolg «BuridansEsel», der in mehrere Sprachen übersetzt und auch verfilmt wurde.Danach folgten der Roman «Preisverleihung», die Erzählung «MärkischeForschungen», der Roman «Neue Herrlichkeit» und weitere zahlreicheBücher und Essays, auch zu den deutsch-deutschen Befindlichkeiten.
Zu seinem 80. Geburtstag ist sein neuester Band «Als Poesie gut -Schicksale aus Berlins Kunstepoche 1786 bis 1807» (S. Fischer)erschienen, eine Arbeit über die kulturelle Blüte der preußischenHaupt- und Residenzstadt, die er noch fortschreiben will. De Bruynfußt dabei auf eine Aussage des Generals August Wilhelm von Gneisenau(1760-1831), wonach allen patriotischen, religiösen und sittlichenGefühlen Poesie zu Grunde liege und somit auch «die Sicherheit derThrone» auf Poesie gegründet sei.