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Literatur auf ToilettenpapierLiteratur auf Toilettenpapier: Gerollte Bücher mit doppeltem Nutzen

Von Roland Böhm 19.08.2002, 06:21
Der Autor Mike Bartel mit einer
Der Autor Mike Bartel mit einer dpa

Remchingen/dpa. - Hinter der Klo-Lektüre steckt der Autor und Journalist Mike Bartelaus Remchingen in Baden-Württemberg. Er hält die Toilette für einen«hervorragenden Ort zum Lesen» und bezeichnet sich selbst als«leidenschaftlichen Klo-Leser». Weil seine literarischen Werke bishernicht den rechten Absatz fanden, der 40-Jährige aber von der Qualitätnach wie vor überzeugt ist, kam ihm der Gedanke, die Lektüre einfachetwas anders aufzumachen, um sie unter das Publikum zu bringen.

Bartels Idee: Literatur, die aus der Rolle fällt. Allerdingsdauerte es einige Zeit, bis er einen geeigneten Partner fand. EinenKlopapierhersteller aus dem Saarland, den Bartel im Internet gefundenhat, konnte er schließlich für die abrollbaren Schriftstückeerwärmen. Und acht freiwillige - noch lebende - Autoren, die dasWagnis zusammen mit Bartel eingehen wollten, fand er auch: Siestellten Bartel Krimis, Kurzgeschichten, Satiren, Gedichte oderhumorvolle Lyrik zur Verfügung.

Jedes Stück ist auf Rolle gedruckt knapp sieben Blätter - oder 74Zentimeter - lang und wiederholt sich dann. Teilweise hat Bartel sienach Themen geordnet: Das «Krimi-Klo-Set» mit drei Kurzkrimis aufdrei Rollen soll später 9,95 Euro kosten. Heines Liebeslyrik undChristian Morgensterns Galgenlieder kommen im Herbst als «Klassiker-Klo-Set» in den Handel. Die ersten sieben Klo-Bücher werden in einerAuflage von 2000 bis 4000 Stück gedruckt. Mit dabei ist auch dererste auf Klopapier erscheinende Fortsetzungsroman: «Das Hecheln derBonner Lisa» stammt aus Bartels Feder und ist auf drei Rollenverteilt.

Gerne zitiert Bartel unbestätigte Statistiken, nach denen 50Prozent der Bundesbürger gerne auf der Toilette lesen würden undebenfalls 50 Prozent noch keinen Zugang zur Literatur haben - aberirgendwann eben trotzdem aufs Klo müssen. «Die gerollten Bücher mitdem doppelten Nutzen versprechen an dieser Stelle 100-prozentigeAkzeptanz», sagt Bartel, der aber vehement bestreitet, dass ihm dieIdee selbst auf dem stillen Örtchen gekommen ist.

Und wenn das dreilagige Papier dann schließlich auchzweckgerichtet genutzt wird, dann hat das der Autor ja auch nichtanders gewollt: «Solange die Texte vorher gelesen werden, stört michdas gar nicht.» Nur zwei können sich nicht mehr beschweren: BeiChristian Morgenstern hat Bartel keine Bedenken. «Der hat so vielewitzige und skurrile Dinge geschrieben, der hätte mit Sicherheitnichts dagegen gehabt.» Bei Heinrich Heine bleiben aber leichteZweifel: Ein Brief, in dem Bartel das Heine-Forum über sein Vorhabeninformiert hat, blieb bislang unbeantwortet.