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Linkspartei Linkspartei: Abgesang für die Internationale?

Von gunnar Leue 08.02.2014, 17:49
„Wacht auf, Verdammte dieser Erde ... “ So beginnt die „Internationale“, die zu Zeiten des Sozialismus ein Kampflied der Arbeiterklasse vieler Länder war und bei Veranstaltung, hier beim X. Parteitag der SED 1981 in Berlin, gern gesungen wurde.
„Wacht auf, Verdammte dieser Erde ... “ So beginnt die „Internationale“, die zu Zeiten des Sozialismus ein Kampflied der Arbeiterklasse vieler Länder war und bei Veranstaltung, hier beim X. Parteitag der SED 1981 in Berlin, gern gesungen wurde. imago Lizenz

Halle (saale)/MZ - Wenn Politiker singen, sind sie entweder gut drauf oder kämpferisch. Ersteres dokumentierten zum Beispiel CDU-Politiker am Bundestagswahlabend eindrucksvoll, als sie euphorisiert in den Toten Hosen-Song „An Tagen wie diesen“ einstimmten. Die Genossen der Partei Die Linke wiederum, singen auf ihren Veranstaltungen traditionell „Die Internationale“.

Womöglich hat es sich aber bald ausgesungen – wenn es nach dem Willen des Genossen Horst Schmitt geht. Der hat für den kommenden Linken-Europaparteitag in Hamburg einen Antrag zur „Aussetzung der akustischen oder gesanglich musikalischen Intonierung des Liedes „Die Internationale“ eingereicht. Es sei „militaristisch, gewalt- und kriegsverherrlichend“ und überdies ein „Symbol für positiven Kapitalismus“. Untermauert wird das Ansinnen des Genossen Schmitt musiktheoretisch durch die Unterteilung in Linke Musik, die eher melodisch ist, und Rechte Musik, die stark bis monoton rhythmisch ist, Techno inklusive.

Was nach Satire klingt und als Antrag P.6. zur realen Forderung erhoben wurde, ist nicht die erste Skurrilität in der Geschichte der Hymne der sozialistischen Arbeiterbewegung. So mussten die Genossen in den früheren sozialistischen Staaten bis 1989 für die Verwendung des Liedes zahlen – an einen westdeutschen Erzkapitalisten.

Westdeutscher Musikverlag sicherte sich die Rechte an der „Internationale“

Dieser Mann, der 1929 in Nürnberg geborene Hans Beierlein, erwarb sich seit den Sechzigerjahren in der Bundesrepublik den Ruf als „König des deutschen Entertainments“. Beierlein war Manager von Udo Jürgens, hatte vor der Fußball-WM 1974 die Idee ausgeheckt, die DFB-Elf singen zu lassen sowie später die Goldader volkstümliche Musik entdeckt, und den „Grand Prix der Volksmusik“ erfunden. Sein geschäftliches Gespür ließ den überzeugten Konservativen auch über den Tellerrand in Richtung Osten blicken. Im DDR-Radio hatte der heute 84-Jährige den Schlagerhit „Gitarren klingen leise durch die Nacht“ des Cottbussers Günter Geißler gehört und 1960 vom VEB Verlag „Lied der Zeit“ die Rechte erworben. Mit dem Griechen Jimmy Makulis als Interpreten landete er einen Nummer-eins-Hit in Westdeutschland und schaffte den Durchbruch als Musikverleger. 1970 sicherte er sich für seinen Musikverlag „Montana Edition“ auch die Rechte an der „Internationale“ (bis 2003). Indirekt darauf gebracht, sagt er, hatte ihn der Studentenführer Rudi Dutschke. Ende der Sechziger hatte Beierlein ihn oft im Fernsehen gesehen, wie er mit anderen Studenten auf Demonstrationen über den Berliner Kudamm zog, stets die „Internationale“ auf den Lippen.

"Die DDR-Seite hat stets pünktlich überwiesen."

„Das interessierte mich zwar weniger, aber ich hab mich gefragt, wer denn eigentlich daran verdient. Als ich mich erkundigte, stellte ich fest, dass in Deutschland niemand über die Rechte an der „Internationale“ verfügte.“ Die Urheberrechte lagen in Frankreich, da zwei Arbeiter das Lied komponiert und getextet hatten. Das weltweit verbreitetste Kampflied der sozialistischen Arbeiterbewegung wurde 1888 von Pierre Degeyter, ein aus Belgien stammender Dirigent des Arbeitergesangsvereins von Lille, komponiert. Den französischen Text hatte der Dichter Eugéne Pottier nach der Niederschlagung der Pariser Kommune 1871 geschrieben.

Beierlein erkundigte sich, wer die Rechte in Westdeutschland besäße und als er hörte, niemand, griff er zu. Angeblich für gerade Mal 4 000 Dollar. Als er herausfand, dass die Rechte für die DDR und andere Ostblockstaaten nicht vergeben waren, erwarb er die auch noch. Dass er ausgerechnet in der Sowjetunion nicht zum Zuge kam, lag daran, dass die die Berner Übereinkunft zum Urheberrechtsschutz von Literatur- und Kunstwerken nicht anerkannt hatte. Außer den Sowjets hätten aber nur Kuba und Nordkorea nicht an ihn gezahlt, so der Franke. Selbst aus der Devisen klammen DDR kam das Geld reibungslos, nach einer schriftlichen Mahnung beim damaligen DDR-Kulturminister Klaus Gysi. „Von dem Moment an hat die DDR-Seite stets pünktlich überwiesen.“ Wenn „Die Internationale“ auf dem SED-Parteitag gesungen wurde, konnte Beierlein jedoch nicht kassieren. Tantiemen gab es nur für alle gegen Entgelt veranstalteten Aufführungen des Liedes, insbesondere für die Verwendung in Filmen oder Konzerten. Inzwischen sind die Rechte an der „Internationale“ frei.