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Liedermacher Liedermacher: Detlev Jöcker - der König von Tamusiland

11.01.2012, 17:59

Halle (Saale)/MZ. - Morgens um 6.50 Uhr bringt Liedermacher Detlev Jöcker regelmäßig den Nachwuchs auf Trab. Auf Super-RTL hilft er musikalisch beim Aufwachen. Und das scheint dem Nachwuchs bestens zu gefallen. Einschaltquoten bis zu 48 Prozent und mehr als 13 Millionen verkaufte Tonträger in den zurückliegenden zwölf Jahren sprechen eine deutliche Sprache. Mit seiner Mitmach-Show "Willkommen im Tamusiland" ist der vierfache Vater derzeit auf Deutschland-Tournee. Am 22. Januar will er seine kleinen Fans um 14 Uhr und 17 Uhr im halleschen Steintor-Varieté begeistern. Sylvia Pommert hat mit Detlev Jöcker gesprochen.

Entschuldigen Sie, aber 6.50 Uhr ist jetzt nicht unbedingt meine Fernsehzeit. Wer schaltet denn zu dieser frühen Stunde schon ein?

Jöcker: Sie werden sich wundern - ganz schön viele. Und nicht nur Kinder. Oft sind es auch die Mütter, die auf den Fernsehknopf drücken - weil sie jetzt noch mal fix den Tornister kontrollieren oder das Frühstückspaket fertig machen wollen. Ihre Sprösslinge sind in dieser Zeit jedenfalls bestens unterhalten.

Und was flimmert da über die Mattscheibe?

Jöcker: Musik zum Mitsingen und Mittanzen. Im Oktober 2010 gab es die erste Sendung. Es war ein Experiment, denn Super-RTL ist ja eher für Zeichentrick und Serien bekannt. Doch die Fernseh-Macher meinten: Was für unsere Kinder gut ist, kann auch für andere nicht schlecht sein. Und ich habe mich darauf eingelassen. So starteten wir eine Staffel von 15 Liedern - jeden Morgen eines mit einer kleinen Geschichte dazu. Fünf Minuten lang ging es um das, was Kinder interessiert - also Spaß, Tiere oder Freunde - was sie wach macht und dabei möglichst auch noch ganzheitlich fördert. Und als die Sendestaffel vorüber war, haben wir die nächste nachgelegt, und dann noch eine und noch eine. Seither gibt es jeden Morgen ein Lied von mir als Guten-Morgen-Gruß.

Wie alt sind Ihre Fans?

Jöcker: Das Interesse für Musik fängt schon im Bauch der Mutter an. Also zähle ich auch Ungeborene zu meiner Zielgruppe. Die meisten Kinder aber, die zu meinen Veranstaltungen kommen, sind zwischen null und sieben, acht Jahre alt. Die bringen dann ihre älteren Geschwister mit. Und auch so manche Mutter wippt im Takt mit. Mitunter war sie schon als Kind in meinen Konzerten.

In Halle gastieren Sie mit "Willkommen im Tamusiland". Wo liegt das?

Jöcker: Im Kopf, in den Herzen, in den Händen - überall dort, wo getanzt und gesungen wird. Denn das tut man im Ta - Mu - Si - Land. Jedes Lied führt in eine eigene Welt. Im Fernsehen hat das noch einen etwas anderen Anstrich als auf der Bühne. Dort gibt es Himmel, Meer und Wiese. Und zwischen all dem geschehen phantastische Sachen. Auf der Bühne entwickelt sich das Tamusiland im Kopf der Kinder - in ihrer Phantasie nimmt es Gestalt an. Ich stehe wie ein Schauspieler auf der Bühne, der ein Lied immer neu gestaltet. Die Kinder lassen sich in ihrer Neugier, Unbekümmertheit und mit ihrer Erlebnisfähigkeit hineinfallen in diese Welt. Es ist wirklich der schönste Beruf der Welt. Ich darf mein inneres Kind mitnehmen. Und so lange ich diese Energie erlebbar machen kann, bleibe ich dabei.

Was macht aus Ihrer Sicht ein gutes Kinderlied aus?

Jöcker: Ich sehe mich als emotionalen Architekten. Mit Sorgfalt, Liebe und Hingabe widme ich mich dem Text. Und was die Melodien betrifft - da hat mir der liebe Gott ein Talent geschenkt. Es hat auch nicht geschadet, dass ich Musik studiert habe. So kann ich Flüchtigkeitsfehler vermeiden. Ein gutes Lied muss in der Musik dem Text entsprechen. Ein Geburtstagslied muss also Freude ausdrücken. Entscheidend aber ist: Lieder müssen glaubwürdig sein. Das ist etwas, was man nicht lernen kann. Das ist aber auch etwas, was ich bei anderen Kollegen - wie zum Beispiel Rolf Zuckowski - schätze. Wie neue Lieder jetzt speziell im Tamusiland entstehen, kann man auf der Bühne erleben.

Aber wie entstehen sie wirklich?

Jöcker: Ich brauche nur ein Thema, dann spüre ich den Text. Das Ganze geht durch die Finger direkt zum Keyboard oder zur Gitarre, ganz intuitiv. Und für die Kleinsten komponiere ich ohne Instrument. Ein Lied muss auch für sich stehen können, muss ganz ohne Instrumente wirken. Kollegen sagen, meine Lieder klingen fast wie Volksmusik. Das nehme ich als Kompliment.

Wann haben Sie sich für die Arbeit mit Kindern entschieden?

Jöcker: Das erste Lied habe ich aus Notwehr geschrieben. Damals war mein Sohn noch sehr klein und lag auf dem Wickeltisch. Er war unruhig, so schlug ich seine Beinchen immer im Wechsel übereinander und sang. Das hat ihm gefallen. Später entstand ein Lied übers Laufenlernen. Und so ging es ständig weiter.

Ich habe immer wieder festgestellt, dass kleine Kinder bis etwa sechs Jahre wie offene Gefäße sind. Und bis dahin ist eine heile Welt um sie herum und in ihren Gedanken ganz wichtig. Gesang und Bewegung helfen, sie zu formen - nicht erzieherisch, sondern pädagogisch. Ein nicht unwesentlicher Nebeneffekt ist zum Beispiel, dass Kinder, die viel singen, einen besseren Wortschatz haben. Auch deshalb möchte ich sie mit meinen Erfahrungen als Vater und Großvater begleiten. Das tue ich nun schon seit mehr als 30 Jahren.

Spüren Sie, wenn Sie auf der Bühne stehen, noch einen Unterschied in Ost und West?

Jöcker: Ja, tatsächlich. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Kinder im Osten, also in den neuen

Bundesländern, oft spontaner sind und selbstbewusster in ihren Reaktionen. Das gefällt mir, deshalb bin ich gern hier. Die Mauer aber, die hat man nur ganz am Anfang gespürt. Das hat sich inzwischen vollkommen geändert, erst recht im Denken und Empfinden der Kinder.

Als Pate unterstützen Sie die Hannelore-Kohl-Stiftung. Warum?

Jöcker: Meine Kinder sind gesund groß geworden. Das ist nicht allen vergönnt. Ich bin reich beschenkt worden. Und gerade deshalb möchte ich helfen. Die Welt braucht viele Hände, die zugreifen und helfen. Irgendwann habe ich Frau Ute Ohoven, die Präsidentin der ZNS- Hannelore-Kohl-Stiftung, kennen gelernt. Zusammen besuchten wir ein Krankenhaus in Berlin. Dort erlebte ich Familien, in denen sich - etwa durch einen Unfall - von einem Moment auf den anderen alles geändert hat. Diese Schicksale haben mich sehr berührt. Damals produzierte ich eine CD, deren Erlös an die Hannelore-Kohl-Stiftung ging. Meine Lieder werden nun mitunter sogar bei therapeutischen Übungen eingesetzt, zum Beispiel, wenn es um die Entwicklung der Motorik geht. Und auch das freut mich sehr.