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Liebesdrama Liebesdrama: Fatih Akins «Gegen die Wand» hat die Kraft der zwei Herzen

Von Andreas Montag 12.03.2004, 16:52
Birol Uenel als Cahit Tomruk und Sibel Kekilli als Sibel in dem preisgekroenten Drama "Gegen die Wand" von Fatih Akin. Um den Zwaengen ihrer strengen und traditionsbewussten Familie zu entkommen, geht eine junge Tuerkin eine Scheinehe mit einem Alkoholiker ein. Als dieser sich in seine Ehefrau verliebt, kommt es zur Katastrophe. (Foto: timebandits film/ddp)
Birol Uenel als Cahit Tomruk und Sibel Kekilli als Sibel in dem preisgekroenten Drama "Gegen die Wand" von Fatih Akin. Um den Zwaengen ihrer strengen und traditionsbewussten Familie zu entkommen, geht eine junge Tuerkin eine Scheinehe mit einem Alkoholiker ein. Als dieser sich in seine Ehefrau verliebt, kommt es zur Katastrophe. (Foto: timebandits film/ddp) ddp

Halle/MZ. - Natürlich kann einem das alles zu grell, zu laut, zu schnell sein. Und man kann sehr wohl die Ansicht vertreten: Wo das Wort Ficken ausgesprochen wird, da lasse dich nicht nieder. Dann muss man eben zu Hause bleiben. Und verpasst einen großartigen Film.

Fatih Akins "Gegen die Wand", der jetzt in den deutschen Kinos angelaufen ist, hat zwar nicht zu Recht (weil man Preise gottlob nicht einklagen kann), aber hoch verdient den Goldenen Bären der Internationalen Filmfestspiele von Berlin gewonnen. Es gibt wenige Filme der jüngeren deutschen Produktion, die solche Kraft und Leidenschaft ausstrahlen. Und es gibt vielleicht auch nicht so viele Regisseure hier, die alles auf eine Karte setzen.

Der Hamburger Fatih Akin, 1973 geboren und selber Deutschtürke, hat sich nicht zwischen die Stühle kultureller Erfahrungen gesetzt. Aus dem deutschen Bild von der Türkei (vielleicht auch aus dem der hier geborenen Türken mit deutschem Pass) hat Akin sich einen ironischen Rahmen gebaut. Die Gruppe des Roma-Musikers Selim Sesler, hübsch auf Teppichen drapiert, musiziert vor der Kulisse von Istanbul und teilt das Geschehen in Akte. Diese, dem Theater entlehnte Methode entfaltet hier den doppelten Vorzug, Struktur zu erzeugen und rührend komisch zu sein.

Die Story selbst ist hart. Cahit (Birol Ünel) ist ein Gestrauchelter von 40Jahren, der verzweifelt säuft. Er setzt sein Auto gegen die Wand, Bremsspuren gibt es keine. Deshalb landet er beim Psychiater. Dort trifft er Sibel (Sibel Kekilli), die seine Tochter sein könnte, aber seine Frau werden will. Sie ist zwar in Deutschland geboren, unterliegt aber den patriarchalischen Regeln ihrer türkischen Familie. Deshalb hat sie einen halbherzigen Selbstmordversuch unternommen. Sibel will leben, tanzen, Sex haben - also braucht sie, zum Schein, einen Ehemann, der sie aus dem Gefängnis der Tradition befreit: Cahit.

Sibel und er sind einander durchaus ähnlich. Beide jagen mit hohem Tempo durch ihr Leben, die Katastrophe ist immer möglich. Fatih Akin erzählt die Liebesgeschichte dieses sonderbaren Paares anfangs noch mit Witz, aber die Komödie wird folgerichtig zur Tragödie: Im Moment, da sie ihre Nähe endlich spüren, verlieren die beiden einander. Als ob zwei Züge auf benachbarten Gleisen rasen, die sich plötzlich in weitem Winkel verzweigen.

Cahit erschlägt einen Mann, mit dem Sibel geschlafen hat, den sie später abgewiesen und der sie deshalb eine Hure genannt hat. Sibel wird Cahit im Gefängnis versprechen, auf ihn zu warten. Ihr Vater jagt sie fort, in Istanbul wird sie missbraucht, fast getötet und schließlich gerettet werden - von einem anderen Mann, in einem anderen Leben. Glück aber gibt es für Sibel und Cahit vielleicht niemals mehr. Auch wenn sie, welch bittere Ironie, am Ende endlich miteinander schlafen. Ein aufregender, konsequenter Film. Traurig und schön.