Letzter Berlin-"Tatort" mit Raacke Letzter Berlin-"Tatort" mit Raacke: Den Kommissar ereilt die Schwermut

Berlin - Dieser Tatort ist sehr gut - und sehr traurig. Mindestens ebenso schwermütig wie die Handlung stimmt die Tatsache, dass sich Till Ritter (Dominic Raacke) mit dieser Folge verabschiedet. Ganz leise und unspektakulär, ohne Blut und Drama. Blut fließt in dieser Folge ohnehin vergleichsweise wenig, wer wilde Verfolgungsjagden, Schusswechsel und Explosionen mag, wird enttäuscht sein. „Soll ich etwa zum Abschied in den Sonnenuntergang reiten oder erschossen werden?“, fragte Raacke in einem Interview. Nein, soll er nicht, und man ist dem Autorenteam (Jochen Greve/Titus Selge) dankbar, dass sie uns das ersparen.
Ob man der ARD für das große Tatort-Stühlerücken danken sollte, ist eine andere Frage. 30 Tatort-Folgen haben Raacke als Ritter und Boris Aljinovic als Felix Stark seit 2001 zusammen gedreht. Jetzt sollen also auch sie ausgetauscht werden. Raacke geht als Erster, Aljinovic dreht noch eine letzte Folge, die im Herbst ausgestrahlt werden soll. „Großer schwarzer Vogel“ beweist, wie gut die beiden als Ermittlerteam funktionieren - vielleicht gerade, weil sie sich nie richtig nahe gekommen sind.
Zwei Kollegen, die nichts voneinander wissen
Offenbar wird das in einem der stärksten Momente dieses Tatorts. Der Moderator einer Radiosendung wird bedroht, Stark hört deswegen stundenlang die Bänder ab. Wie bei „Domian“ rufen die Hörer in dieser Sendung an, um ihr Herz auszuschütten. Und plötzlich, inmitten all der Anrufer mit Liebeskummer und Spielschulden, hört der Kommissar die Stimme seines Kollegen Ritter. Der erzählt dem Moderator von quälender Schlaflosigkeit, vom Tod seiner kurzen, großen Liebe und seinem Beruf, in dem man keine Schwäche zeigen dürfe. Stark schluckt. Ihm wird klar: Er weiß eigentlich nichts von diesem Mann, mit dem er so viel Zeit verbringt.
Schweigen und Verschweigen, das ist das große Thema von „Großer schwarze Vogel“. Nichts ist, wie es scheint - auch nicht bei dem erfolgreichen Radiomoderator Nico Lohmann (Florian Panzner), der in einer schicken Berliner Wohnung zusammen mit seiner Freundin wohnt, die ihr erstes Kind erwartet. Alles bestens also - bis im Hausflur eine an die "Familie Lohmann" adressierte Briefbombe explodiert und das Kind einer Putzfrau tötet. War es einer von Lohmanns Hörern? Diese Frage tritt im Laufe der Ermittlungen in den Hintergrund.
Ritter und Stark merken schnell, dass Lohmann etwas verbirgt - und zwar nicht nur vor der Polizei, sondern selbst vor seiner schwangeren Freundin. Hat das etwas mit seiner früheren Karriere als Leistungsschwimmer tun? Die Schatten der Vergangenheit lassen uns nicht los - das ist die Essenz von Großer schwarzer Vogel", einer Folge, die eher Beziehungsdrama als Krimi ist. Und als wären so viel Trauer und Verlust noch nicht genug, hat Regisseur Alexander Dierbach diesen Tatort auch noch mit so ziemlich dem traurigsten Song unterlegt, den man sich vorstellen kann: "Push The Sky Away" von Nick Cave & the Bad Seeds. Wer nach dem Abspann nicht melancholisch zurückbleibt, muss aus Stein sein.