Lesung von Benjamin von Stuckrad-Barre Lesung von Benjamin von Stuckrad-Barre: An einigen Stellen tut es in "Panikherz" weh

Berlin - Es klingt abgedroschen, aber es ist so: Das Beste kommt zum Schluss. An diesem Abend auf jeden Fall. Es ist nacheinander unendlich traurig und unendlich komisch, als Benjamin von Stuckrad-Barre die beiden letzten Auszüge für diesen Abend aus seinem neuen Buch „Panikherz“ liest. Wie er das Ende seiner Drogenzeit in Hamburg beschreibt, im Hotel Prem – immer berauscht, immer schlaflos, immer pleite. „Dieses Zimmer ist ein Sarg“ heißt dieses Kapitel und das glaubt man sofort. Es wird ganz still im Publikum, als er von dieser Abgerissenheit erzählt, zusammen mit Autor und Element of Crime-Sänger Sven Regener, der ihn dabei unterstützt, ihn manchmal sogar mit durchzieht, aber nicht jetzt. Da ist „Stuckimann“ voll da, nach dreistündiger Lesung angekommen beim Publikum und bei sich.
Aber auf Anfang. Es ist Dienstagabend acht Uhr, der Postbahnhof ist voll. Das Publikum: Eine Mischung aus Pärchen mit Weingläsern in den Händen, Hipstern, Intellektuellen, Jugendlichen, die Stuckrad-Barre gerade als Popliteratur im Abi durchnehmen könnten – kurzum: bunt gemischt. Am Tag zuvor in Hamburg war Udo Lindenberg Gast bei der Auftaktlesung, ob er gleich wieder auf der Bühne steht? Nein, es ist Katarina Witt – aber auch nur kurz. Dann tänzelt Stuckrad-Barre zu „Suburbia“ von den Pet Shop Boys auf die Bühne. Zusammen mit Sven Regener, der natürlich nicht tänzelt. Die beiden könnten in ihrem Auftreten unterschiedlicher nicht wirken. Stuckrad-Barre leicht überdreht, dürr, etwas fahrig und ständig mit Zigarette in der Hand – Stuckrad-Barre halt und Regener, völlig in sich ruhend, norddeutsch - Regener eben.
Tragische Szenen mit schwarzem Humor
Abwechselnd springen die Beiden durch die 564 Seiten in Stuckrad-Barres Buch, durch sein Leben. Wie er zum Workaholic wurde, Drogensucht und Magersucht sein Leben kontrollierten und immer wieder zu der tiefen Verbundenheit zu Udo Lindenberg. „Panikherz“ tut an einigen Stellen richtig weh, auch wenn Stuckrad-Barre es schafft, selbst die tragischste Szene irgendwie noch mit schwarzem Humor zu verkaufen. Die Gäste brauchen einen Moment bis sie sich trauen darüber zu lachen. „Bisschen verhalten hier“, sagt Stuckrad-Barre. „Da sind wir aus Hamburg Besseres gewohnt.“ Daran ist der 41-Jährige aber auch ein bisschen selbst schuld. Schließlich ist Hamburg für ihn die geilste Stadt der Welt, nicht Berlin. „Damit musst du leben, wenn du anfängst auf den Lokalpatriotismus-Bongos zu spielen“, sagt Regener und hat Lacher und Zuschauer, wie so oft an diesem Abend, auf seiner Seite.
Prominente Gäste
Eigentlich war nur Regener als Gast für diesen Abend angekündigt. Aber für Stuckrad-Barre kommen sie alle. Musiker Thees Uhlmann liest, Till Brönner trompetet. Unendlich unterhaltsam ist auch die Stelle als Klaas Heufer-Umlauf zu Regener und Stuckrad-Barre dazu stößt, um gemeinsam mit ihnen den Abschnitt „Spießertrance“ vorzustellen. Er erzählt von Gedanken über ehemalige Mitschüler kurz vor einem Klassentreffen. Bei Stuckrad-Barre klingt das dann so: „Wer fragt: "Hab ich denn deine Kontaktdaten?", hat einen Scheißjob, beendet Mails mit Lokalwetterschilderungen (...)“ Oder: „Wer sich als Einzelgänger, einsamer Wolf etc. geriert, sucht Anschluss“. Die Drei lesen etliche solcher witzig-tragischen Sätze und im Publikum erkennt sich jeder bei mindestens einem dieser Schilderungen wieder.
Ende mit dem Anfang
In der melancholischen Stimmung, die nach dem Kapitel über seinen letzten Rausch in Hamburg im Raum schwingt, will Stuckrad-Barre die Zuhörer nicht alleine lassen, so soll der Abend nicht enden - dafür ist er zu sehr Popstar. Also zurück auf die Bühne, auf den Tisch gesprungen und lieber mit dem Anfang enden. Stuckrad-Barre liest sein erstes Kapitel. Wie er mit Udo Lindenberg, seinem Udo, nach Amerika einreisen will. Er parodiert und beschreibt seinen Freund dabei so nuschelnd großartig, dass seine Zuhörer es nicht mehr aushalten vor Lachen. Es ist ein freundlicherer Ausstieg – hell genug, um in die Berliner Nacht zu verschwinden.