Leipziger "Tatort" Leipziger "Tatort": Nichts für schwache Nerven

Köln/Leipzig - Worum ging es?
Überall Blut. Abfallunternehmer Harald Kosen wurde in seinem Schlafzimmer aufs Brutalste totgeprügelt. Die Leipziger Hauptkommissare Eva Saalfeld (Simone Thomalla) und Andreas Keppler (Martin Wuttke) vermuten schnell, dass es dabei nicht um Geld ging. Als Täter kommen nur zwei Personen ernsthaft in Frage: Kosens missratener Sohn Patrick (Tino Hillebrand) und sein vom Schicksal gezeichneter Ex-Kompagnon Christian Scheidt (Uwe Bohm). Doch ehe der Mörder ausgemacht ist, werden auch Sofie, Kosens Tochter, totgeschlagen und ihr Noch-Ehemann Frank erhängt aufgefunden. Wut und Hass, sie zerstören nach und nach eine ganze Familie.
Wer war der Täter?
Man ahnt es schon früh: Mit Patrick, dem verkannten Sohn, stimmt irgendetwas nicht. Ein Jugendstraftäter, Raub mit schwerer Körperverletzung – nein, das ist es nicht. Dieser Typ ist einfach von Grund auf unsympathisch. Wie er sich da so lässig eine Zigarette anzündet und irgendetwas von Wiedergutmachung faselt…Man nimmt es ihm nicht ab. Stille Wasser sind bekanntlich tief, und dieses Gewässer ganz besonders. Da brodelt etwas gewaltig unter der Oberfläche. Wäre sonst ja auch zu einfach. Ein junger Mann mit gestörter Beziehung zum Vater, oder besser: zur gesamten Familie, der sich nach dem Knast auf einmal geläutert gibt und es auch tatsächlich ist? Nein, Patrick mutiert zur Bestie, er mordet sich den Frust und die Enttäuschung von der Seele. Aber drei Tote sind nicht genug. Auch Mutter Astrid soll sterben, Saalfeld und Keppler kommen gerade noch rechtzeitig. In einem letzten, grotesken Anflug seines Wahns passt Patrick Christian Scheidt in dessen Haus ab und provoziert den ehemaligen Geschäftspartner seines Vaters so lange, bis dieser mit dem Holzhammer auf ihn eindrischt. Geht es dem Mörder auf diese perverse Art und Weise tatsächlich darum, Buße zu tun? All die Jahre über war er es nämlich, der Scheidts Tochter auf dem Gewissen hatte. Klar wird das zwar nicht ganz. Aber die brutalen Bilder lassen den Zuschauer atemlos zurück.
Wie waren die Kommissare?
Ohne große Loblieder auf Martin Wuttke zu singen – der Mann ist einfach ein guter Schauspieler. Rational, scharfsinnig, ein bisschen Sherlock-Holmes-Style. Und dabei immer authentisch und glaubwürdig. Ja, Kommissar Andreas Keppler gefällt auch in dieser „Tatort“-Folge. Leider schaukelt er das Kind – mal wieder – quasi im Alleingang. Müsste Simone Thomalla alias Eva Saalfeld in dieser Folge nicht eigentlich betroffen sein, als Sofie, die junge Frau, mit der sie nur wenige Stunden zuvor noch zusammen zu Abend gegessen hat, auf grausame Weise totgeschlagen wird? Man kann als Zuschauer eigentlich nur aus dem Kontext heraus erahnen, was sich in der Kommissarin abspielt, als sie die Leiche findet. Denn Saalfeld, nein Thomalla, zeigt nicht wirklich eine Regung. Die Schauspielerin mag im wahren Leben ja ganz nett, vielleicht sogar unterhaltsam sein. Aber Profil verleiht sie ihrer Rolle nicht. Immer dieser eine starre Gesichtsausdruck. Ob das wohl irgendwelchen Verjüngungskuren geschuldet ist? So oder so: Schrei oder wein doch mal!, möchte man Thomalla zurufen. Tu irgendetwas mit deinem Gesicht! Zeig uns Ecken und Kanten, damit wir diesem Drang wiederstehen können, genervt und gelangweilt umzuschalten!
Was störte am meisten?
Thomallas eingefrorenes Gesicht. Ach, das haben wir schon erwähnt? Na gut. Der eine oder andere Dialog hat uns auch nicht gerade schlauer gemacht. „Gibt es in Ihrer Familie irgendwelche Probleme?“, fragt etwa Saalfeld Sofie eingangs, als die Kommissare den ersten Tatort unter die Lupe nehmen. „Gibt’s Familien ohne Probleme?“, antwortet die junge Frau. Sehr erhellend. Ungefähr so sehr wie Saalfelds Gesichtsausdruck.
Das Fazit?
Der Titel „Blutschuld“ verrät es bereits: Der vorletzte Krimi aus Leipzig ist keine leichte Kost. Regisseur und Drehbuchautor Stefan Kornatz inszeniert ein bedrückendes Beziehungsgeflecht, das auch die beiden Kommissare nicht kalt lässt. Inhaltlich hält dieser „Tatort“ wenig Überraschungen bereit. Es sind der Wechsel zwischen stillen und rasanten Bildern und die düstere, bedrohliche Musik, die mitreißen und fesseln. Die exzessive Gewalt und der tiefe Hass erschüttern einen Raum, der eigentlich Schutz bieten soll: die Familie. Die grausamen Prügelszenen, die blutigen Tatorte – auch deswegen hallen diese Bilder eine Weile nach.