Leipziger Museum für Druckkunst Leipziger Museum für Druckkunst: Wo alte Techniken noch leben

Leipzig/ddp. - Roland Müller demonstriert in einer flachen Werksetageim Leipziger Industriestadtteil Plagwitz die Funktionsweise einersolchen Maschine. Doch seitdem eine zweite Revolution dazu geführthat, dass der Satz heute allerorten mit dem Computer erledigt wird,braucht man den Endfünfziger eigentlich genauso wenig wie die grüneLinotype, an der er steht.
Müllers Glück: sein Arbeitsplatz ist im Leipziger Museum fürDruckkunst. Der gelernte Drucker weiht die Besucher regelmäßig in dieGeheimnisse des komplexen Maschinenparks ein, der hier auf dreiEtagen ausgebreitet ist. Mehrere Hundert Exponate zeigen einen Teildes Weges, den die «Schwarze Kunst» von der ersten Gutenberg-Bibelbis zum schnell kopierten Flugblatt zurückgelegt hat.
Eines der Prunkstücke auf Müllers Etage stammt aus der Zeit, inder sich die Drucktechnik industrialisierte: Auf einer englischenKniehebelpresse sitzt ein gusseiserner Adler, der sich bei jedemArbeitsgang mitbewegt. Ein funktionsloses Detail nur, doch aus derSchönheit der Maschine spricht der Stolz der Zunft.
«Drucker und Setzer waren hoch angesehene Berufe. Die warenrichtig jemand», sagt Susanne Richter, die Direktorin des Museums.Sie führt gerade eine kleine Tellerpresse vor, die neben demschwarzen Eisenmonstrum steht. Sie nimmt ein Blatt Papier aus demGerät, es riecht nach Druckerschwärze. Ein Teil der Pressen wirdregelmäßig genutzt. Denn als das Museum 1994 mit der Privatsammlungeines Münchner Druckunternehmers in den ehemaligen Räumen desrenommierten VEB Martin Andersen Nexö eröffnete, war klar, dass hierein Werkstattmuseum, «ein tätiges Museum» entstehen sollte, wieRichter sagt. Dazu gehört die Herstellung von Druck-Erzeugnissen vomGießen der Schrift über Satz und Druck bis zur Bindung.
Eine kleine, dem aufgelösten Münchner Betrieb zweier alter Damennachempfundene Buchbinderei wirkt durchaus museal. Der Leimtopf aufder Heizplatte aber verrät, dass hier regelmäßig gearbeitet wird.Diesem für ein Fachmuseum besonderen Profil ist es geschuldet, dassdie regionale Druckindustrie neuerdings Auszubildende ins Museumschickt, die sich hier sieben Tage lang ein Gespür für dieanstrengenden Arbeitsgänge in den alten Techniken aneignen sollen.
Als vor wenigen Wochen die im Haus arbeitende, eigenständigeLichtdruckwerkstatt einen Antrag auf Aufnahme ihres Gewerkes in dieWeltkulturerbeliste der UNESCO stellte, wünschte Direktorin Richterden Kollegen von Herzen alles Gute. Denn die Spezialisten teilen dasSchicksal von Leuten wie Müller. Sie sind alle über 50, ihre Berufewerden längst nicht mehr ausgebildet. «Unsere Mitarbeiter sind dieletzten ihres Standes», sagt Richter.
Den Anschluss an die Gegenwart hält das Museum, indem es jährlichund nun schon zum 14 Mal die «Typotage» ausrichtet - kleine, feineExpertentreffen zu einem bestimmten Thema. Und so werden am kommendenSamstag namhafte Gestalter und Entscheider von führenden deutschenTageszeitungen hier zusammenkommen, um über den Wandel in derZeitungsgestaltung zu sprechen. Dass die FAZ erst vor kurzem ihreFrakturschrift und die bildfreie Titelseite aufgab, ist ein Indiz fürdie Aktualität des Themas. «Wir hoffen, hier in Leipzig besser klärenzu können, worauf die Tageszeitungen in Zukunft zusteuern», sagtRichter. Wie die Vergangenheit aussah, kann sie ihren Gästenjederzeit demonstrieren.