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Leipzig Leipzig: Viele Hexen verderben den Brei

22.12.2011, 18:33

Leipzig/Mz. - In Graz kicherte es damals, vor zwölf Jahren, schon im ganzen Opernhaus, bevor Peter Konwitschny noch zum Schaukochen in seine Hexenküche bat. Auf der Bühne dann wechselte er, wie er es schon so oft zum Zwecke höherer Erkenntnis gemacht hatte, die gewohnte Perspektive und erzählte die Geschichte um den berüchtigten schottischen Usurpator, der über Leichen geht, konsequent aus der Perspektive der Hexen.

Neben seiner epochemachenden Kammerspiel-Aida wurde diese Grazer Inszenierung jetzt den nach Leipzig importierten Konwitschny-Inszenierungen hinzugefügt. Nun war der Regisseur selbst krankheitshalber an der persönlichen Neu-Erarbeitung gehindert, so dass der letzte Schliff bei der Einstudierung von Heide Stock und Verena Grabner einfach fehlen musste. Spielwitz und Temperament etwa der Hexen hat man jedenfalls entschieden intensiver zumindest in der Erinnerung. Doch selbst, wenn man das einräumt, stellen sich der alte Zauber und die Verblüffung in Leipzig einfach nicht ein. Und das liegt nicht nur daran, dass mit Amarilli Nizza nur eine mittelmäßige Lady Macbeth zur Verfügung steht. Diese Reaktivierung einer zwölf Jahre alten Arbeit belegt auch die Zeitbezogenheit von Inszenierungen, die ihren Charme zu einem großen Teil auch aus den ästhetischen Kontroversen ihrer Zeit beziehen.

Der Hingucker des Abends bleiben Jörg Kossdorfs Hexenküche, die hier so eine Art Machtzentrale für das subversive Vagabundieren der Frauentruppe ist, der es offenbar darum geht, das männliche Gefüge von Macht und Gewalt durcheinander zu wirbeln. So bestimmen sie denn die Bühnenaktionen entscheidend mit und mischen sich auch noch bei allen anderen öffentlichen Auftritten unter die Gäste an der Tafel oder die kämpfende Truppe. Was natürlich auch Macbeth und seine ihn antreibende Lady zum Gutteil aus ihrer moralischen Verantwortung entlässt und den Kern des Stückes entschärft. Allen möglichen zeitgeistigen Zierrat in den Schnellkochtopf zu werfen und drin rumzurühren, das mag für die Hexen reichen, um ihre Prophezeiungen zu würzen. Als Interpretation eines Klassikers über die Folgen von Machtgier ist das dann aber doch etwas zu lasch.

Sicher ist der Plausch in der Küche und der Kampf um die Macht vor dem großen Panoramafenster mit Blick auf die Berge unterhaltsamer, als etwa Peter Steins Macbeth-Langweiler vom vergilbten Vorlage-Blatt letzten Sommer in Salzburg. Aber ein Trost ist das nicht wirklich. Auch musikalisch gehört die Neueinstudierung nicht zur den Leipziger Glanzstücken. In der mit Wiliam Lacey am Pult des Gewandhausorchesters ging bildlich gesprochen jedenfalls öfter mal mehr als ein Notenblatt zwischen Graben und Bühne. Immerhin war Marco de Felices als Macbeth mit wohltimbriertem Organ auch zum Auftrumpfenden fähig, wenngleich ihm das diabolisch Verzweifelte fehlte. Banquo war bei James Moellenhoff mit einer bewährten Stimmpracht ausgestattet, Giuseppe Veranos Macduff redlich. Man kann es unmöglich überprüfen, aber wahrscheinlich, wäre der Leipziger "Macbeth", den Andreas Homoki als Chef einer Schottland AG inszenierte, heute frischer.

Nächste Vorstellungen: 4. Februar und 14. April 2012, jeweils 19 Uhr