Leben im Denkmal Leben im Denkmal: Das Quedlinburger Märchen vom Haus im Glück
Quedlinburg/MZ. - Dies ist das Märchen vom Haus im Glück. Ein junges Paar, Studenten der Architektur an der Kasseler Hochschule und begeistert von der Technik des Lehmbaus, beschließt, sein Berufsleben dort anzufangen, wo es für seine Leidenschaft ein Eldorado finden kann.
Andrea und Tobias Weyhe ziehen nach Quedlinburg und kaufen dort im Jahr 1997, nachdem eine einzige von mehr als einem Dutzend befragter Banken den nötigen Kredit gewährt hatte, ein Fachwerkhaus. Für dessen Überleben kamen die Weyhes gerade recht, war es doch "ein Vorzeigeobjekt für den echten Hausschwamm". Und den bekämpften die Idealisten dann auch noch mit einer zumindest in Deutschland kaum verbreiteten, weil nicht "gewährleistungsfähigen", dabei verblüffend einfachen Methode. Sie machten ihm, salopp gesagt, die Hölle heiß. Sie ließen nämlich ein Gebläse warme Luft so lange in das wie von Christo verpackte Haus pusten, bis in dem schlimmen Pilz das Eiweiß gerann und von seinem pestilenzartigen Expansionstrieb nur noch totes, faseriges Gewebe zurück blieb: "Zumindest glauben wir, dass da keine Gefahr mehr droht".
So brauchten die Weyhes sehr viel weniger Balken herauszubrechen, als das sonst üblich ist. Und der gutachterliche Rat konnte ignoriert werden, mehr als die Hälfte des Gebäudes sei abzureißen.
Immerhin stammt es von 1713. Das Haus "Am Hospital 1" ist der letzte Rest des 1259 gegründeten "St. Spiritus-Hospitals". Wie ein Schlösschen steht es zur Straßenseite, die Fenster in zwei Geschossen regelmäßig gereiht und in der Mitte mit einem Giebel bekrönt.
Beim genauen Hinsehen entdeckt man jedoch etliche Türen. Sie öffnen zu einer Art Reihenhaus in barocker Fachwerkmanier. Dahinter lebten einst bedürftige alte Menschen, und die besaßen eine Stube zur Straße, eine Küche zum Garten und zwei Schlafgemächer im Obergeschoss. Die Weyhes haben das Haus jetzt in drei Teile gegliedert: zur Linken ihr Büro und darüber eine Ferienwohnung, in der Mitte eine Mietwohnung und zur Rechten ihre eigene Wohnung.
Für Söhnchen Timo ist aber gerade dieser Ort noch ein Abenteuerspielplatz. Die Sanierung geht hauptsächlich "in Eigenleistung" voran - ein bürokratisches Wort für den eisernen Willen, Staub und Lärm auszuhalten und notfalls mitten auf der Baustelle auch mal im Igluzelt zu übernachten. Diese erste Pionierzeit haben die Weyhes immerhin hinter sich gelassen. Aber das Haus-Drittel der Familie ist von der Wohnlichkeit sicher noch lange Wintermonate entfernt.
Wer daher wissen will, wie es sich lebt in einem Fachwerkhaus, dessen Balkengerüst nach außen mit Ziegeln, bei den Innenwänden mit Lehm ausgefüllt wurde, die Böden mit Holz belegt, die alten Türen aufgearbeitet, die Kastenfenster originalgetreu nachgebaut wurden - der muss den glücklichen Mieter im Mittelhaus fragen.
Drinnen schaut er von einer Galerie auf hellen Räume unter offenem Balkenwerk und schätzt sich glücklich, dass er sich seinen Wohn-Wunschtraum erfüllen konnte. Im Sommer kühl, im Winter warm, schwört er auf das Wohnen mit den Materialien der Natur, auf die warmen und weichen Töne des Holzes. So können auch die Bauherren hoffen, dass sie demnächst ihr kleines Paradies genießen können, wie sie es in Quedlinburg gesucht und gefunden haben.
Familie Weyhe öffnet ihr Haus in Quedlinburg, Am Hospital 1, am Sonntag von 13 bis 18 Uhr.