Late-Night-Show Late-Night-Show: Der 1000fache Harald Schmidt

Hamburg/dpa. - Langeweile ist Gift für die Unterhaltung. Als er im Sommer dieses Jahres bemerkte, dass eine gewisse Routine in seineShow eingekehrt war, musste Harald Schmidt reagieren. Nicht weil es von ihm verlangt wurde, sondern weil er selbst die drohende Ödnis vertreiben musste. Schmidt ging aufs Ganze. Er ließ seine Häme am Arbeitgeber SAT.1 aus, machte sich über die sinkenden Werbeeinnahmen und das Chaos um den Sendetermin der Fußballshow «ran» lustig. Wer geglaubt hatte, er würde seinen eigenen Ast absägen, sah sichgetäuscht. Die gezielte Nestbeschmutzung brachte ihm keineNachteile.
Unbehelligt darf der Hofnarr Nummer beim Berliner Privatsender SAT.1 am Freitag (16. November) seine 1000. Late-Night-Show präsentieren. «Wenn ich 50 bin, also in sechs Jahren, werden wir die 2000. Sendung machen», sagte er kürzlich in einem Interview und wischte damit Spekulationen vom Tisch, er wolle vielleicht selberaussteigen und einen stressfreieren Alltag bestreiten. Der Schwabe, der als Sohn eines Verwaltungsangestellten und einer Kindergärtnerin in Neu-Ulm geboren wurde und in Nürtingen aufwuchs, braucht nur dann und wann frischen Wind um die Nase.
Die neuen Ziele setzt er sich selbst und ist dabei nur auf die fast immer unfreiwillige Hilfe anderer angewiesen. Zum Beispiel auf Marcel Reich-Ranicki. Im Sommer moderierte Schmidt mit Mitarbeitern seiner Redaktion eine völlig ernsthaft angelegte Ausgabe des«Literarischen Quartetts», in der er mit der Stimme desLiteraturpapstes ein Buch besprach, das Reich-Ranicki selbst wenige Tage später in seiner ZDF-Sendung vorstellen wollte. Kritiker waren sich sicher, dass die Fälschung dem Original in nichts nachstand - Reich-Ranicki soll vergrätzt gewesen sein.
Von Auseinandersetzungen zwischen SAT.1-Geschäftsführer Martin Hoffmann und Schmidt, bei SAT.1 ein Ziehsohn von Hoffmanns Vorgänger Fred Kogel, war die Rede, vor allem nach Schmidts Sottisen über die «ran»-Entwicklung. Doch der Leid geprüfte Hoffmann, der in diesemJahr eine Show nach der anderen aus dem Programm warf, verstand das Prinzip Hofnarr auf der Gratwanderung zwischen Trash und Kultur. «Die beiden sind nicht durch dick und dünn gegangen wie Kogel und Schmidt», sagt ein Insider. «Aber sie verstehen sich auf professioneller Basis.» Auch wenn Schmidt nicht über die Eine-Million-Zuschauer-Hürde kommt, wird es sich der von Flops gebeutelte Sender nicht erlauben können, eines seiner wenigen Imageprodukte aus dem Weg zu räumen.
Harald Schmidt, der früher sein Kabarett «Kom(m)ödchen inDüsseldorf betrieb und der ARD bis 1995 mit «MAZ ab»,«Schmidteinander» oder «Verstehen Sie Spaß?» die Treue hielt, hat sich in 1000 Sendungen nicht nur als Komödiant mit humanistischem Hintergrund, sondern auch als Geschäftsmann durchgesetzt. Von der Firma Brainpool trennte sich das Zyniker der Nation rasch. Mit dem Unternehmen Bonito TV, das inzwischen 90 Mitarbeiter zählt, gründeteSchmidt seine eigene Produktionsfirma, so dass er außer denModerationshonoraren, die auf 80 000 Mark pro Ausgabe geschätzt werden, noch die Einnahmen aus dem Verkauf der Sendung an SAT.1 einstreicht. Eingagiert hat sich Schmidt mittlerweile auch beim privaten deutschen Auslandssender Channel D, an dem er sich mit zehn Prozent beteiligte.
Noch in Erinnerung sind einige seiner Auftritte seit der Premieream 5. Dezember 1995. Ärger handelte sich Schmidt mit WDR-ModeratorinBettina Böttinger ein, deren Konterfei er neben einer Kloschüsselmit der Frage, was beide gemeinsam hätten, platzierte. Antwort: «Siewerden von Männern nicht angefasst.» Ex-«Tagesschau»-SprecherinSusan Stahnke arbeitete er in eindeutiger Pose in einen Ausschnittvon «Basic Instinct II» ein, seine Polen-Witze schlugen vor allembei kritischen Deutschen ein, weniger bei den betroffenen Polenselbst, Take That-Fans empfahl er, sich die Pulsadernaufzuschneiden, ein Zauberer, dessen Tricks er entlarvte,prozessierte gegen Schmidt. Die Liste der Geprellten ist beliebigfortsetzbar.