Lars Petersohn Lars Petersohn: Der Maler mit dem liebevollen Blick

Halle (Saale) - Der Ort, an dem er seine Bilder von der Welt aus dem Kopf auf die Leinwand holt, scheint auf den ersten Blick nicht von dieser Welt zu sein. Eine scheckig-anmutige Idylle mit dem Charme bröckelnder Altbauten. Ein Wirtschaftshof voller Gebäude und Winkel, östlich des halleschen Zentrums gelegen, aber meilenweit entfernt vom bürgerlichen Schick, bei dem alles auf Kante zu liegen hat.
Viele Schichten von Geschichte liegen hier übereinander - etwas, das den Maler Lars Petersohn stark interessiert. Wenn die Dinge von unten nach oben dringen und das Oben unten nach Halt und Vergewisserung sucht.
Ein guter Ort also für ihn, um zu malen. Abseits, aber keineswegs abgeschieden. In Sichtweite. Nebenan auf dem weitläufigen Grundstück wird in einer Autowerkstatt geschraubt, irgendwo im Haus probt eine Band, die so klingt, als würde sie demnächst die Rockmusik erfinden.
Lars Petersohn hat seine Bilder längst gefunden. Und entdeckt manche seiner Werke nach längerer Zeit neu. Manchmal ist er dann überrascht: „Ach, das ist doch ganz schön!“ Stolz und Bescheidenheit, Selbstbewusstsein und Zweifel - sie liegen bei einem, der die Kunst braucht wie sie ihn, dicht beieinander. Bis zum 7. Juli stellt er gemeinsam mit Charlott Szukala, die plastische Arbeiten zeigt, Gemälde und Grafik in der halleschen Zeitkunstgalerie aus.
Zuerst springen einen die Stadtlandschaften von Petersohn an, die Kinderbildnisse folgen und werden immer noch faszinierender. Und bei allem, was man sieht, ist ein Eindruck überwiegend, der den Betrachter zunächst verwirrt, ihn verharren und wiederkehren lässt: Die Bilder wirken unmittelbar heiter und schön, dahinter aber tun sich Gedanken an Dunkles auf. Und noch einmal später wird das Schöne wiederum stärker auftreten, geradezu leuchten.
Der Maler hat seine Sicht auf die Bilder - und darauf, was ein anderer in ihnen sehen mag. Das Gespräch verträgt Behutsamkeit, immerhin geht es nicht nur um Handwerk, nicht nur um Kopf-, sondern auch um Herzensdinge. Und manches lichte Gebäude, das sich einem aufgestellt hat, kann man mit Worten auch zerstören.
„Man soll die Dinge liebevoll ansehen.“
Lars Petersohn sitzt auf seinem Sofa im Atelier, über ihm hängt eine großformatige Leipziger Stadtlandschaft. Sehr dunkel auf den ersten Blick, wenn nicht im Bildhintergrund, nach vorn ausstrahlend, diese wunderbare Helligkeit wäre, die nicht alles ändert, aber zeigt, dass alles, was man wahrnimmt, auch anders sein könnte als im Augenblick.
„Man soll die Dinge liebevoll ansehen“, sagt Petersohn, „aber darum wissen, dass sie bedroht sein könnten oder jedenfalls vergänglich sind.“ Das selbstverständliche Verschwinden meint er damit, das Heranwachsen der Kinder, die man schon in wenigen Jahren nicht mehr so sehen wird wie eben jetzt, in jedem kostbaren Augenblick.
Auch Katastrophen als Ereignisse, die Zäsuren bedeuteten, haben den Maler schon beschäftigt: Das Unglück auf dem russischen Atom-U-Boot „Kursk“, der Absturz der „Concorde“, die ICE-Katastrophe von Eschede. Aber es ist letztlich immer das Menschliche, das Petersohn an den Motiven interessiert. Selbst, wenn seine wunderbaren Stadtlandschaften (wie die von Otto Möhwald auch) ohne menschliche Figuren auskommen. „Es muss etwas geben, das einen berührt“, sagt er: „Auf das Motiv kommt es letztlich gar nicht an, es ist nur der Anlass“.
Lars Petersohn ist ein sehr reflektierter, skrupulöser - aber auch humorvoller Mann. Gern erzählt er eine Anekdote, die von den unterschiedlichen Sichten auf Kunst handelt. Einem Chirurgen, der ein Bild von ihm kaufen wollte, hatte er freundlich auf den Weg gegeben, für die Praxis sei dieser Fleischbrocken sicher eher weniger geeignet. Zwei Stunden später brachte der Arzt das Gemälde zurück, er hatte ein Wollknäuel darauf gesehen und seine Liebe nun verloren.
Geboren wurde Lars Petersohn 1964 in Leipzig, als er zweieinhalb Jahre alt war, zogen seine Eltern, Bauingenieur und Krankenschwester von Beruf, nach Berlin. Dort wuchs er auf, man hört es. Früh hat er gezeichnet, es kam aus ihm selbst, und niemand hat ihm einen Stein in den Weg gelegt. Zehn Jahre lang besuchte er einen professionell geleiteten Zirkel, begann aber zunächst eine Lehre als Autoschlosser.
Spät kam er nach Halle, an die Burg. Und in Halle ist er geblieben. Sein trockener, wohl von Berlin geprägter Witz passt ganz gut in die Stadt. Etwa, wenn er darüber sinniert, was er tun müsste, um ein sehr erfolgreicher, marktfähiger Künstler zu sein: Er müsste sich anpreisen, seine Website, die er nicht hat, laufend aktualisieren, chatten, die richtigen Partys besuchen. Zu alledem hat Lars Petersohn keine Lust.
Er malt. Bilder, aus denen eine Leidenschaft spricht, die mit der Melancholie auszukommen gelernt hat. So entsteht Spannung, ohne dass auf den Bildern plakative Konflikte ausgetragen würden. „Mir ist alles suspekt, was gekünstelt ist“, sagt er. Wenn ihm etwas zu deutlich geraten scheint, zerstört er es.
Für Petersohn ist ein Bild nie wirklich perfekt
Womit nicht gesagt sein soll, dass seine Bilder keine deutliche Kunstbotschaft aussenden würden. Zwischen Licht und Dunkel, Geborgenheit und Einsamkeit, Schönheit und Trauer kann man genussvoll spazieren gehen - im eigenen Kopf.
„Eigentlich“, sagt Petersohn, „könnte man sein ganzes Leben lang an einem Bild malen. Aber es ist doch nie perfekt, es bleibt immer etwas offen.“ (mz)
››Ausstellung „Kopf und Himmel“, Zeitkunstgalerie Halle, bis zum 7. Juli, Di-Fr 11-13.30 und 14- 19, Sa 10-15 Uhr
