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Landesprojekt "Große Pläne!" Landesprojekt "Große Pläne!" in Magdeburg: Ausstellung zur Reklame

Von Kai Agthe 19.07.2016, 17:30
Es werde Licht: Koje der Mitteldeutschen Reklame-Gesellschaft auf der Magdeburger Messe „Bauten der Technik“ von 1930.
Es werde Licht: Koje der Mitteldeutschen Reklame-Gesellschaft auf der Magdeburger Messe „Bauten der Technik“ von 1930. Hans-Wulf Kunze

Magdeburg - Magdeburgs große Zeit begann mit dem Industriezeitalter. Die Elbestadt entwickelte sich im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts zu einem Zentrum der Schwerindustrie, was ein Grund für jene schweren alliierten Bombenangriffe im Frühjahr 1945 war, die den Ort zu großen Teilen dem Erdboden gleichmachten.

Magdeburg war aber auch in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine Stadt der angewandten Moderne. Daran erinnert im Rahmen des landesweiten Projektes „Große Pläne!“ eine Ausstellung im Forum Gestaltung.

Das hat seinen Sitz in der ehemaligen Kunstgewerbe- und Handwerkerschule in der Brandenburger Straße, die, 1793 gegründet und 1963 geschlossen, die langlebigste ihrer Art war.

Ohne diese Schule und ihren innovativen Unterricht, in dem bereits Anfang des 20. Jahrhunderts zahlreiche Ideen des 1919 in Weimar gegründeten Bauhauses vorformuliert wurden, wäre Magdeburg kaum die „Reklame- und Ausstellungsstadt der Moderne“ geworden, als die das Forum Gestaltung den Ort in seiner vorzüglichen Schau würdigen kann.

Magdeburg als Experimentierfeld für moderne Architektur

Hinzu kommt ein dritter Punkt, der, auch wenn er nicht in den Titel eingeflossen ist, von zentraler Bedeutung ist: Magdeburg war im ersten Drittel des vergangenen Jahrhunderts auch ein Experimentierfeld für moderne Architektur.

Verbunden ist dieses Bestreben mit dem Architekten und Stadtbaurat Bruno Taut – auch wenn es Johannes Göderitz und Wilhelm Deffke, zwei Lehrer der Kunstgewerbeschule, waren, nach deren Entwurf 1927 die markante Stadthalle im Rotehornpark errichtet wurde.

Bruno Tauts expressionistischer Entwurf eines Zeitungskiosks steht am Beginn der Schau und ist quasi die kleine Illustration zu dessen Forderung nach farbigem Bauen. Die Grundfarbe ist Dunkelbau, hinzu kommt knalliges Rot und kräftiges Grün.

Mit diesen Kiosken ließen Taut und der Buchhändler Fritz Wahle 1922 „handstreichartig die Stadt möblieren“, wie der Ausstellungsführer zu berichten weiß.

Aber nicht Taut, sondern Walter Dexel, der an der Kunstgewerbeschule lehrte, war ab den späten 20er Jahren der führende Kopf für Werbung im öffentlichen Raum.

Dexel, das liegt in der Natur der Sache, führte als Gebrauchs- und Werbegrafiker eine anonyme Existenz. Seine Entwürfe waren jedoch wegweisend für die Werbung, die auch in Magdeburg bald nicht mehr von den Straßen  wegzudenken war. So entwarf Dexel Reklamesäulen, die, als neue Lichter der Großstadt, beleuchtet und teils mit Fernsprecher und Uhren ausgestattet waren.

Auch als Plakatkünstler machte er sich einen Namen, wie sein sachlicher Entwurf für die Sportausstellung Magdeburg 1929 deutlich macht.

Dexel begegnet dem Betrachter auch in jenem Raum, in den Lehrer- und Schülerarbeiten der Kunstgewerbeschule zu sehen sind. Er schuf 1933 eine konstruktivistische Serie mit Köpfen, zu denen auch ein Porträt des italienischen Diktators Benito Mussolini gehört, von dem sich nicht sicher sagen lässt, ob es noch ernst oder schon satirisch gemeint ist.

Eine der größten gebrauchs- und werbegrafischen Herausforderungen, die die Stadtverwaltung und die Kunstgewerbeschule zu schultern hatten, war fraglos die internationale Theaterausstellung von 1927, der in der Magdeburger Schau ein entsprechend breiter Raum gewährt wird.

Für diese wurde nicht nur besagte Stadthalle errichtet, sondern auch jener ihr unmittelbar benachbarte Turm, der seit 2012 nach seinem Schöpfer kurz Albinmüller-Turm heißt.

Das Ende der Kunstgewerbeschule

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde an der Kunstgewerbeschule versucht, an die große Zeit vor 1933 anzuknüpfen. Trotz allen Mangels gestalteten Lehrer und Schüler 1947 eine Ausstellung über den geplanten Wiederaufbau, die unter dem trotzigen Titel „Magdeburg lebt“ den Elbestädtern, die zwischen Ruinen und Brachen lebten, Mut machen und zeigen sollte, dass es wieder aufwärts geht.

So hoffnungsvoll die Schau auch war, in der DDR konnte die Fachschule nicht mehr an die große Zeit, die sie in der Weimarer Republik erlebte, anknüpfen.

1963 wurde sie ganz ohne Not geschlossen. Die staatlichen Stellen folgten mit diesem Schritt der Direktive zur gleichmäßigen Entwicklung der DDR und liquidierten die traditionsreiche Ausbildungsstätte ohne Widerstand ihres Direktors und der Lehrer zugunsten der Fachschule für angewandte Kunst in Heiligendamm.

Ein herber Verlust für Magdeburg, deren maßgebliche Bedeutung als Kunststadt daraufhin in Vergessenheit geriet.

Es braucht eine Ausstellung wie die im Forum Gestaltung, um an diese große Epoche zu erinnern. Mag die Schau vor allem Fotos, Plakate und Zeichnungen vereinen, wird hier dennoch ein überaus faszinierender Einblick in einen unbekannten Teil jenes Laboratoriums gewährt, das Moderne heißt.

„Magdeburg – Reklame- und Ausstellungsstadt der Moderne“, Forum Gestaltung Magdeburg, Brandenburger Straße 9a, bis zum 11. Dezember, Fr-Mi 12-18 Uhr, Do 12-20 Uhr. Der Ausstellungsführer kostet drei Euro. (mz)