Lady Hamilton im Schloss Wörlitz Lady Hamilton im Schloss Wörlitz : Venus am Vulkan mit großem Hintern

Wörlitz - Nein, Supermodel hätte sie nicht werden können. Mit ihrem legendär schönen Hintern wäre Emma Lady Hamilton (1765- 1815) einfach zu üppig gewesen für Heidis Hungerhakentruppe. Dafür hat sie aber wirklich Karriere und (fast) alles richtig gemacht zu ihrer Zeit. Eine Aschenputtel-Mär vom Feinsten. Die hat die mit außerordentlicher Schönheit gesegnete Tochter eines Hufschmieds nach einer turbulenten Jugend mit Jobs als Dienstmädchen, Künstlermodell und Mätresse mit 20 Jahren an die Seite von Sir William Hamilton (1730–1803) geführt.
Die „Casting-Show“ dazu fand in Neapel statt. Dort residierte Hamilton als britischer Botschafter und hatte als Antikensammler und Vulkanforscher am Vesuv Berühmtheit in ganz Europa erworben. Der Blaublüter sah Emma - und verfiel ihr prompt. Sie wurde zunächst die Geliebte, schließlich zur richtigen Lady als Gattin des 30 Jahre älteren Adligen mit dem besonderen Sinn für gesellschaftliche Repräsentanz. Ihre Schönheit, ihre Auftritte als Sängerin oder in sogenannten „Attitüden“, bei denen sie weibliche Rollen aus der antiken Mythologie mimte, sorgten für das, was man heute als PR bezeichnet.
Lady Hamilton wurde zur Ikone einer ganzen Epoche. Künstler schwärmten, Maler verewigten sie in unzähligen Porträts. Wie Tischbein, der sich begeisterte: „... eine Schönheit, die man selten sieht“. Oder Goethe, der befand: „Sie ist sehr schön und wohl gebaut.“ Ihr skandalumwittertes Leben trug zur Legendenbildung bei. Skandal schon die Mesalliance, noch mehr die spätere Liebschaft mit dem Briten-Heldenadmiral Horatio Nelson (1758–1805), die in einer „Ehe zu Dritt“ mündete. Als die Macht-Männer ihres Lebens kurz hintereinander starben, wurde Emma zur verarmten Unperson und endete ihr Leben auf der Flucht vor Gläubigern elendig „als dicke Säuferin“ an der französischen Kanalküste in Calais.
Die Schlagzeilen von damals boten über die Jahrhunderte Inspiration für Autoren von Alexandre Dumas bis zu Susan Sontag, für Filme, eine Operette – und jetzt für diese Ausstellung. Deren Vorläufer war in Rom in der Casa di Goethe zu sehen. Doch die Schau in Wörlitz, versprechen die Macher, wartet mit wesentlich mehr Exponaten, auch bisher Unbekanntem und zudem einem ins Heute führenden amüsanten Extra auf. Nicht von ungefähr und deutschlandweit einmalig an diesem Ort, der auf ganz besondere Bindungen zu jener Zeit und den Hamiltons verweisen kann. Geistige, mit Wörlitz als einem der Orte der Aufklärung, wie ganz persönliche. Fürst Leopold III. Friedrich Franz von Anhalt-Dessau hatte auf seiner Grand Tour Sir William Hamilton in Neapel getroffen, mit ihm den Vesuv bestiegen und war ihm in lebenslanger Freundschaft verbunden. Als Symbol dieser Verbindung ließ er die künstliche Insel Stein mit einem Vulkan und der Villa Hamilton errichten. Der klassizistische Bau wurde der Villa Emma in Posillipo nachgestaltet, wo Lady Hamilton ihre berühmten Attitüden aufführte.
Die Ausstellung versteht sich als Würdigung einer der berühmtesten und umstrittensten Frauengestalten eben jener Zeit, indem sie ihre Bedeutung für Kunst, Literatur und Antikenrezeption der deutschen Klassik um 1800 in den Blickpunkt rückt. Zu begreifen ist sie durchaus auch als die Emanzipationsgeschichte einer Frau, die nicht gegen, sondern mit Männern ihren außergewöhnlichen Weg gesucht und gefunden hat. Auf drei Etagen kann man auf so bildende wie unterhaltsame Weise dem Leben und der Lebensweise von Lady Hamilton, ihrer Gefährten und berühmter Zeitgenossen nachspüren.
Wobei die Ausstellungsstücke in einen reizvollen Dialog mit der originalen Ausstattung des Schlosses eingebunden sind und aus dem Zusammenklang mit dem Gesamtkunstwerk des Gartenreiches eine besondere Dimension gewinnen. Eine Fülle von Gemälden und Zeichnungen von Maler-Stars wie Tischbein oder Angelica Kauff-mann wie auch von weniger bekannten Künstlern bringt die umschwärmte Schönheit dieser exquisiten Dame buchstäblich vor Augen. Romantisch, oft wie schwebend wird sie dargestellt, idealisiert wohl auch. Selbst der berühmte Po findet sich bei der „Venus Kallipygos“ (die als „Venus mit dem schönen Hintern“ zu den berühmtesten antiken Skulpturen in Neapel zählte) fast versteckt auf einem Kaminsims in einer kleinen Plastik von Giacomo Zoffoli, für deren Pose Emma, allerdings nicht nackt, Modell gestanden haben soll. Ehemann wie Liebhaber sind in vergleichsweise eher realistischer Abbildungen zu sehen. Eine Fülle antiker Artefakte wie auch romantisierende Landschaftsdarstellungen erinnern an den Geist und die Schwärmereien jener Zeit. Erinnert wird auch an Bücher, Filme, Musik im Zusammenhang mit Lady Hamilton.
Und dann gibt es noch die überraschende Schau-Komponente, mit der das hallesche Künstlerpaar Moritz und Grita Götze die aufregende Lady („Eine spannende Ikone der damaligen Zeit, die noch immer inspiriert“ ) ins Heute holt. Die Keramikerin Grita Götze mit delikaten Darstellungen auf überaus eleganten, kostbaren Vasen, der vielseitige Moritz Götze mit einer Rauminszenierung aus bildnerischen Darstellungen voller amüsanter, höchst gegenwärtiger Zitate und einem Flipperautomat, der den Besuchern zum eigenen Spiel mit der Historie zur Verfügung steht.
Etwas abseits der Gartenreich-Seligkeit und wenig bekannt liegt am Rande von Vockerode der Nelsonhügel. Auf ihrer Rückreise von Süditalien nach England haben Sir Hamilton, seine Frau Emma und Admiral Nelson in der Gegend im Oktober 1800 Station gemacht, heißt es. Und Fürst Franz persönlich soll das illustre Trio hier empfangen haben. So erinnert diese Stelle auf besondere Weise an die legendäre Lady Hamilton. (mz)
Bis 18. September: Schloss Wörlitz, Di-So 10-18 Uhr. Begleitbuch: Imhof Verlag, 29,95 Euro. Grita und Moritz Götze: Lady Hamilton, Hasenverlag, 14,90 Euro

