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Kurt-Weill-Fest Kurt-Weill-Fest: Bilderreigen illustriert die Zeit des Erwachens

Von Andreas Hillger 09.03.2003, 17:26

Dessau/MZ. - Der Bestätigung des Titels durch die Anfangszeit hätte es zwar nicht bedurft, sie tat der Begeisterung aber keinen Abbruch: Obwohl die Premiere der Ballettpantomime "Die Zaubernacht" am Freitag erst um 22 Uhr auf dem Programm des Kurt-Weill-Festes stand, war die Dessauer Marienkirche fast bis auf den letzten Platz gefüllt. Das Rätsel eines Frühwerks durfte nach Jahrzehnten im Schatten des Vergessens erstmals als kleine Kostbarkeit auf dunklem Samt besichtigt werden.

Von der magischen Miniatur, die 1922 durch das Russische Ballett des Theaters am Kurfürstendamm uraufgeführt worden war, hatte sich im Nachlass des Komponisten lediglich ein unvollständiger Klavierauszug gefunden, der weder die Instrumentalstimmen noch die gedachte Handlung erkennen ließ. Nachdem Meirion Bowen fehlende Teile ergänzt und das Werk für eine Kammer-Besetzung arrangiert hatte, war die szenische Aneignung dem Pantomimen Milan Sladek anheim gestellt worden.

Der hatte eine poetische Lösung gefunden, die unter psychologischen wie ästhetischen Aspekten den Geist der Entstehungszeit atmete. Darüber hinaus aber konnte man die traumwandlerische Passage eines Jungen, der im unruhigen Schlaf seine mögliche Zukunft entschleiert, auch als Bild-Kommentar zum musikalischen Material lesen. Weills Frühwerk ist das Dokument einer respektvollen Emanzipation von Lehrern wie Humperdinck und Busoni, aber auch beredtes Beispiel für die Entdeckung des Jazz - ein Gesellenstück auf dem Weg zum Meister, das vom Ensemble Contrasts unter Leitung von Celso Antunes höchst kompetent und liebevoll betreut wurde.

Den Marschtakt heroischer Tage trafen sie ebenso sicher wie die laszive Lässigkeit berauschter Nächte, der Hänsel im Märchenwald war ihnen vertraut wie der Hans im Cabaret. Mit den Mitteln des schwarzen Theaters fing Milan Sladek solche Vorgaben auf und erweiterte sie in einem surrealen Bilderbogen. Da ordneten sich frei schwebende Gliedmaßen unverhofft zum Urbild eines menschlichen Köpers, da verwandelten sich kleine Stab-Figuren in große Commedia-Gestalten und da galoppierte ein Schaukelpferd als edles Ross in die Schlacht. Neben Anklängen an die geometrisch vereinfachte Bauhaus-Ästhetik (Kostüme: Jan Kócman) durfte man den Enthusiasmus wie die Enttäuschung einer im Ersten Weltkrieg mit Werken wie Rilkes "Cornet" aufgewachsenen Generation assoziieren, neben Sigmund Freuds Tauchgängen ins Unterbewusstsein fanden sich spielerische Sinn-Sprengungen à la Lewis Carroll.

So blieb beim Erwachen aus dieser "Zaubernacht" lediglich der Wunsch nach Wiederholung offen. Aber vielleicht ermutigt der Erfolg die Veranstalter zu einer zweiten Vorstellung beim nächsten Fest. Denn nachdem sich das Stück als Nachtvorstellung bewährt hat, sollte es nun auch mit kindlichen Augen besichtigt werden können.