1. MZ.de
  2. >
  3. Kultur
  4. >
  5. Kunstmuseum Magdeburg: Kunstmuseum Magdeburg: Auf sanfter Flugbahn zu Idyllen und Katastrophen

Kunstmuseum Magdeburg Kunstmuseum Magdeburg: Auf sanfter Flugbahn zu Idyllen und Katastrophen

Von ANDREAS HILLGER 24.11.2008, 20:49

MAGDEBURG/MZ. - Es sind oft eindeutige Positionen, mit denen der Besucher konfrontiert wird. Heribert C. Ottersbachs fotografisch konturierte Gemälde zeigen Soldaten bei einer Invasion als "Argonauten", Sean Snyders Video-Recherche bildet Globalisierung am Beispiel von Markenuhren ab, die am Handgelenk von Osama bin Laden prangen oder das Konterfei von Sadam Hussein zeigen - und kontert diese Weltzeit-Chronografen mit privaten Fotografien von Wüstenkriegern. Eine der eindringlichsten Arbeiten zeigt die israelische Künstlerin Sigalit Landau, die mit einem Stacheldraht-Reifen nackt am Meeresstrand Hula-Hoop tanzt - ein schmerzhaftes Sinnbild für das Leben im Dauerkrisengebiet.

Es wäre ein Missverständnis, wenn man einer Schau unter so universalen Vorzeichen mangelnde Vollständigkeit vorwerfen wollte. Die Kritik kann sich lediglich an das Unterfangen selbst - oder an die mangelnde Bandbreite seiner Beiträge richten. Hier aber lassen die Kuratoren Umsicht walten, indem sie das Private mit dem Politischen sowie das Exotische mit dem Vertrauten mischen. Wenn Robert Voit beispielsweise Mobilfunkantennen fotografiert, die in den USA als Palmen oder Nadelbäume getarnt werden, dann ist in diesen Bildern ein doppelter Befund - die Camouflage der Zivilisation bei gleichzeitigem Verlust von Natur - eingefangen. Und wenn Ingo Günther seine Leuchtgloben mit den aktuellen Koordinatensystemen der weltweiten Entwicklungsstandards oder der Flüchtlingsströme, der Krisenherde oder der Dichte von TV-Geräten überzieht, dann liest man diese moderne Kartografie auch als Verlustanzeige traditioneller Bezugssysteme.

Dagegen stehen Karin Kneffels akribische Gemälde von Wohnräumen, in denen das Unheimliche haust - oder Chris Newmans subjektive Kamerafahrt über einen unaufgeräumten Küchentisch. Was hier als Binnenwelt behauptet wird, stülpt sich in Tobias Zielonys Foto-Serie "Behind the Block" nach Außen: Momentaufnahmen aus Plattenbausiedlungen in Marseille, Bristol und Halle-Neustadt, die das Leben in suburbanen Räumen eher registrieren als kommentieren. Douglas Kolks Skizzen der "Yooth Forse" hingegen spielen nicht nur im Titel mit dem Comic-Slang einer Gegenkultur, sie zeigen in den Porträts von Teenagern auch jene Verletzlichkeit, die sich als Aggression tarnt - und verweisen so auf Iris Kettners Gangsta-Puppen.

Als Leitsystem durch das irritierende Nebeneinander sehenswerter Handschriften aber kann eine Computersimulation gelten, mit der Persijn Broersen und Margit Lukács das "Prime Time Paradise" jederzeit verfügbarer Informationen und Bilder inszenieren. Im sanften Kameraflug gleitet man durch Idyllen und Katastrophen, jeder Zoom auf ein Detail öffnet ein neues Panorama. So muss man den "Standort Alltag" zwischen rostigen Wächter-Silhouetten und schwarz-weißen Friedensprotestanten durchschreiten - immer ahnend, dass hinter den Oberflächen eine neue Ebene wartet.

Ausstellung bis 25. Januar, Dienstag bis Sonntag 10-17 Uhr