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Kunsthandwerk Kunsthandwerk: Jerichow leuchtet in neuer Reinheit

03.09.2009, 16:50

JERICHOW/MZ/GKO. - Wenn morgen die 54 neuen Glasfenster des rheinischen Künstlers Jochem Poensgen mit einem Festakt eingeweiht werden, findet das seit der Wende größte Projekt seiner Art in Sachsen-Anhalt vier Jahre nach dem Wettbewerb und einem ausdauernden fachlichen und öffentlichen Diskurs seinen angemessenen Abschluss.

Die Kirche hat sich mit der in Grau- und Weißtönen, teilweise farblos gehaltenen Serie von Fenstern eines subtil abgewandelten geometrischen Schemas spürbar verändert. Doch dass man darin auch die Erfüllung der gestalterischen "Purifizierung" seit dem 19. Jahrhundert erkennen kann, ist die These, die der Kunsthistoriker Holger Brülls im tragenden Beitrag der Broschüre entwickelt, die zur Einweihung erschienen ist. Das hallesche Landesamt für Denkmalpflege, wo der Autor tätig ist, beginnt damit zugleich eine Reihe, die "Kleine Hefte zur Denkmalpflege" heißen muss.

Das klingt doch sehr schüchtern angesichts der ersten Nummer. Diese kann den Besuch in der so lebhaft wie unaufdringlich zum Leuchten gebrachten Kirche um sehr viel Erkenntnis bereichern. Denn aus dem Blickwinkel der "Lichtgeschichte" hat man mittelalterliche Bauwerke selten besprechen hören. Was Brülls über den Werdegang der Fenster schildert, setzt sich wahrlich einleuchtend in Bezug zum Umgang mit der Klosterkirche seit Ferdinand von Quasts Verklärung der Romanik um die Mitte des 19. Jahrhunderts.

Bei der zweiten Restaurierung hundert Jahre später folgte ihr vollends die Hinwendung zur gestalterischen Askese. Dass die ursprünglichen, rautenförmig gefassten Klarglasfenster von Quast damals nicht, 2005 aber doch in Frage gestellt wurden, ergab sich nicht nur aus ihrem mittlerweile "beängstigenden" Zustand. Einst sparten sie Kosten und dienten zugleich dem Ziel, die Architektur "rein" zur Geltung zu bringen. Doch dabei nahm man den gravierenden Nachteil in Kauf, dass im Raumganzen keine Einzelräume mehr zu unterscheiden waren und das Licht aus den Ost- und Westfenstern zu grellen Überstrahlungen führte.

Wie wandlungsfähig Poensgens neues Lichtsystem durchgeführt ist, beschreibt der Künstler in einem eigenen Beitrag. Ergänzt wird er mit handwerklich-technischen Erläuterungen eines Mitarbeiters der ausführenden Glaswerkstatt Derix aus Kevelaer. Zu Wort kommt neben dem Vorstand der Stiftung Kloster Jerichow, Ulrich Rethfeld, auch René Leudesdorff, Pfarrer im Ruhestand und jahrelang der ruheloseste Unterstützer des Glasprojekts, von dessen Begeisterung für Jerichow sich etliche Spender anstecken ließen.

Nun glimmt die Kirche in einem funkelnden Spiel von Mustern, das sich in seinen intensivsten Momenten zu einem Mystizismus der Geometrie verdichtet.

Der Festakt beginnt am Samstag um 13 Uhr. "Romanik in neuem Licht. Die Fenster der Klosterkirche zu Jerichow",

ISBN 978-3-939414-38-4, 92 Seiten, 10 Euro.