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Kunstfreiheit Kunstfreiheit: Nackte Bürgermeisterin darf nicht gezeigt werden

Von Torsten Klaus 03.12.2009, 18:34
Die Künstlerin Erika Lust wird am Donnerstag im Dresdener Landgericht kurz vor der Verhandlungsbeginn interviewt. (FOTO: DPA)
Die Künstlerin Erika Lust wird am Donnerstag im Dresdener Landgericht kurz vor der Verhandlungsbeginn interviewt. (FOTO: DPA) dpa-Zentralbild

Dresden/dpa. - Streitgegenstand war das Bild der Dresdner Künstlerin Erika Lust mit dem Titel «Frau Orosz wirbt für das Welterbe». Der Knackpunkt der Abbildung: Die DresdnerOberbürgermeisterin Helma Orosz (CDU) posiert vor der fertigenWaldschlößchenbrücke - nackt und mit Amtskette. Das Gericht sah darindie persönliche Schamgrenze Orosz' verletzt und sprach eineeinstweilige Verfügung aus. Das Bild, das übrigens längst verkauft ist, darf vorerst weder veröffentlicht noch zur Schau gestellt oder vervielfältigt werden.

Lust wird also die Abbildung von ihrer Homepage nehmen müssen,sonst droht ihr ein sechsstelliges Ordnungsgeld. Der Käufer dürftedas Bild lediglich im Privaten zeigen. «Erleichtert» sei sie, sagteOrosz nach der eher kurzen Verhandlung den zahlreichenMedienvertretern in die bereitgehaltenen Mikrofone. Sie hatte sich inihrer Intimsphäre und Menschenwürde verletzt gesehen. «Es geht darumzu sagen: Das geht zu weit», argumentierte sie.

Lust saß dagegen mit zusammengepressten Lippen neben ihrerAnwältin. Die aus Kasachstan stammende Künstlerin hat schon einigehistorische Persönlichkeiten nackt oder halbnackt abgebildet, vonHeinrich VIII. bis Jane Seymour. Von Orosz malte sie unter anderemnoch ein Bild als Domina - auch das ist verkauft. Beanstandet wurdedas Sujet bisher nicht.

Anders beim Waldschlößchen-Bild: Es entstand im Juli 2009, kurznachdem die UNESCO das Dresdner Elbtal wegen des umstrittenenBrückenbaus von der Liste der Welterbe-Stätten gestrichen hatte. Lustbezeichnete es als künstlerisches Statement zum europaweit einmaligenVerlust dieses Titels. Die Nacktheit sei Ausdruck dafür, dass Oroszzur entscheidenden Sitzung des Welterbe-Komitees in Sevilla mitleeren Händen gereist sei.

Orosz sei mit dem Bild nicht nur privat getroffen, sondern auch inihrem Amt, begründete Richter Stephan Schmitt das Urteil. AlsOberbürgermeisterin müsse sie Kritik erdulden, «aber für jedenMenschen existiert ein Tabu». Die Darstellung zeige Orosz «in Würden,aber nicht in Würde». Schmitt monierte unter anderem, dass «derGeschlechtsbereich frontal gezeigt» werde. «Wir mussten uns Gedankenmachen, was für Gedanken und Gefühle dieses Bild bei einemunvoreingenommenen Betrachter auslöst.» Sein Fazit: «Wir konntennicht anders entscheiden.»

Die Künstlerin aber kündigte noch im Gerichtssaal Berufung an.«Ich will mich nicht selbst zensieren», sagte Lust. Sie plane, noch weitere Politiker zu malen. «Ich muss wissen, ob das möglich ist.» Wann das Oberlandesgericht Dresden darüber verhandelt, ist noch unklar. Nach Zustellung des schriftlichen Urteils haben dieProzessparteien vier Wochen Zeit, den Gang zur nächsten Instanzvorzubereiten. Bis dahin aber gilt wohl, was ein Prozessbesucher soauf den Punkt brachte: «Dresden bleibt in den Schlagzeilen.»

Die Dresdner Oberbürgermeisterin Helma Orosz (CDU) sitzt am Donnerstag kurz vor der Verhandlungsbeginn im Dresdner Landgericht. (FOTO: DPA)
Die Dresdner Oberbürgermeisterin Helma Orosz (CDU) sitzt am Donnerstag kurz vor der Verhandlungsbeginn im Dresdner Landgericht. (FOTO: DPA)
dpa-Zentralbild