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Kunst Kunst: Willi Sitte arbeitet an seinem Lebenswerk

Von Petra Buch 29.06.2005, 05:53
Der Maler Willi Sitte arbeitet nach fast zweijähriger gesundheitlicher Zwangspause wieder in seinem Atelier in Halle (Foto: dpa)
Der Maler Willi Sitte arbeitet nach fast zweijähriger gesundheitlicher Zwangspause wieder in seinem Atelier in Halle (Foto: dpa) dpa-Zentralbild

Halle/Merseburg/dpa. - «Doch ich hatte immer eisern mein Ziel vor Augen, ich muss wiederraus aus dem Krankenbett, ich muss, ich will wieder in mein Atelier»,sagt er. Ein eigens für seine Bedürfnisse als Maler konstruiertesSpezialgestell gibt ihm den nötigen Halt um - wie für ihn typisch -im Stehen «Tag für Tag mindestens zwei Stunden» malen zu können. Seinwichtigstes Projekt ist derzeit die Galerie der Willi-Sitte-Stiftungfür realistische Kunst, die am 28. Februar 2006 zu seinem 85.Geburtstag eröffnet wird. «Gerhard Schröder hat bereits zugesagt, erwird kommen, egal ob er Bundeskanzler ist oder nicht», ist Sitteüberzeugt.

Der Maler gilt als einer der bedeutendsten Künstler des 20.Jahrhunderts. In Westdeutschland wurde er spätestens durch dieTeilnahme an der «documenta 6» 1977 in Kassel bekannt. Zusammen mitseinem Kollegen Bernhard Heisig, Wolfgang Mattheuer (1927-2004) undWerner Tübke (1929-2004) vertrat er die DDR. Ihre Werke waren schondamals bei Kunstsammlern und Galerien in Westeuropa begehrt.

Über die Stiftung sagt Sitte: «Darin ist mein Lebenswerk, auch allmeine Handzeichnungen». Die Werke seien aus seinem Privatbestand,nichts aus Museen. «Das sind ganz wichtige Bilder von mir», sagt derKünstler. Es sollen auch Werke erstmals öffentlich gezeigt werden.

«Willi Sitte und seine Familie überlassen der Stiftung 250 Gemäldeund über 1000 Zeichnungen, Radierungen, Druckgrafiken und Skizzen»,erzählt Jürgen Weißbach, Vorsitzender der Stiftung und Ex-DGB-Chefvon Sachsen-Anhalt. «Sitte ist eine besondere Herausforderung, erwird als bekennender Kommunist im Kreuzfeuer bleiben», sagt Weißbachmit Blick auf die Diskussionen um die Kunstwerke des Malers undseiner Nähe zu DDR-Oberen. Er rechne mit rund 30 000 Besuchern imJahr in Merseburg.

«Ich war immer ein fleißiger Maler», sagt Sitte, der auf einenriesigen Bestand an Werken verweisen kann. Arbeiten aus mehr als 60Jahren seiner Schaffenszeit will die Stiftung in der MerseburgerDomkurie in der Willi-Sitte-Galerie auf 550 Quadratmetern Flächezeigen. An dem historischen Gebäude weist darauf schon heute eingroßformatiges Transparent mit dem Bild «Rufende Frauen» (1957) hin.Sitte schuf es zum Gedenken an das Pogrom der SS in Lidice. «Das Hausin Merseburg soll keine tote museale Einrichtung werden», sagt derKünstler. Er wolle mit wechselnden Themen von Ausstellungen durchausfür Diskussionen sorgen.

In der DDR gehörte Sitte, der 1921 in Kratzau (heute Tschechien)geboren wurde und seit 1947 in Halle lebt, zur Prominenz. SeineBilder galten als Standardwerke realsozialistischer Kunst. Bekanntwurde Sitte vor allem mit seinen großformatigen Werke, die derArbeiterklasse huldigten.

Kritiker warfen ihm nach der Wende vor allem die Nähe zu denOberen der Partei- und Staatsführung DDR vor. Sitte war von 1974 bis1988 Präsident des Verbandes Bildender Künstler der DDR und saßzeitweilig in der Kulturkommission des Zentralkomitees der SED. Eine2001 im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg zu seinem 80. Geburtstaggeplante Ausstellung führte zum Eklat. Nach der überraschenden Absageder Ausstellung und Stasi-Vorwürfen, die Sitte bis heute vehementbestreitet, zog sich der Künstler weitgehend aus der Öffentlichkeitzurück.

Er geriet aber nicht in Vergessenheit. «Es kommen Menschen ausganz Deutschland extra zu uns nach Halle gefahren, um Sitte-Bilder zusehen», berichtet seine Frau Ingrid beim Rundgang durch das Atelier,in dem auch über 16 Selbstporträts des Künstlers entstanden sind. Zuseinen jüngsten Arbeiten gehört das Ölbild eines Mannes mit dem Titel«Der Plünderer». Dies habe er vor seiner Hüfterkrankung begonnen, diepolitischen Geschehnisse im Irak und Kirgisien hätten ihn dazuinspiriert - und nun habe er es endlich fertig stellen können.«Ostern war für uns das schönste Fest, weil Willi wieder ersteSchritte gehen konnte», sagt Ingrid Sitte. «Ich war wohl nicht immernett, jetzt bin ich verträglicher», sagt der Künstler, dem eineigenwilliger Charakter nachgesagt wird.