Kunst Kunst: Was Kollwitz, Barlach und Pankok verbindet
Halle (Saale)/MZ. - Keine Frage, Käthe Kollwitz, Ernst Barlach und Otto Pankok haben einen gemeinsamen Ton, etwas Verbindendes in ihrem jeweiligen Werk, das sich nicht allein mit dem allgemeinen, humanistischen Nenner des Künstlertums erklären lässt. Im halleschen Kunstverein Talstraße kann man sich jetzt selbst ein Bild davon machen, bis zum 11. November werden Plastiken und grafische Arbeiten der drei Künstler gezeigt.
Es ist, zumal bei Kollwitz und Barlach, die tiefe, empathische Beschäftigung mit Schmerz und Trauer, für die sie derart bezwingende Formen fanden, dass man schon eine Menge bösen Willen und viel Demagogie aufwenden muss, um dieser Leistung die Anerkennung zu verweigern.
Nicht anders ist es bei Pankok, dessen Zugewandtheit für die Ausgeschlossenen und Verfolgten, Zigeuner und Juden, ihn selbst zu den Verfemten gestellt hat. Alle drei haben unter den Nazis zu leiden gehabt, alle drei sind nach dem Krieg im Osten Deutschlands auf ihre Passfähigkeit für die doktrinäre Kunst- und Kulturpolitik getestet worden.
Kollwitz schnitt, mit einigen Abstrichen, noch am besten ab, während Barlach wegen seiner Formalismus-verdächtigen Strenge bei allem Respekt für lange Zeit ungeliebt blieb. Kollwitz hingegen hat man in der DDR später ebenso rigoros wie unzutreffend zur Klassenkämpferin und Wegweiserin proletarischer Kunst befördert.
Pankok indessen, den man 1950 zur Akademiegründung nach Ostberlin gebeten hatte, nahm sich gleich selbst wieder heraus, weil ihm seine Mitgliedschaft dort zuviel Trennendes bedeutete, während er doch die Einheit Deutschlands im Sinn hatte. 1956 ist er dann immerhin als Korrespondierendes Mitglied bei den ostdeutschen Kollegen eingekehrt.
Der renommierte Kunsthistoriker und namentlich als Barlach-Experte ausgewiesene Elmar Jansen hat in zwei Essays für das schöne Katalogbuch, das die Ausstellung begleitet, auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Kollwitz, Barlach und Pankok hingewiesen - und zugleich die Ideologie-Ferne ihrer Werke herausgestellt, die den Machthabern des "Dritten Reichs", aber auch den Kulturpolitikern der frühen DDR-Jahre verdächtig war.
Kollwitz (Jahrgang 1867) und der drei Jahre später geborene Barlach, oftmals als Geschwister im Geiste empfunden, haben einander gekannt, auch geschätzt. "Keine Freundschaft, die später in Abneigung umschlug", schreibt Jansen, der aber "ein sich steigerndes, wechselseitiges Interesse" vermerkt. Und geistige Nachbarschaft.
Die Ausstellung im Kunstverein Talstraße bringt Arbeiten der drei Künstler nun in ein spannungsvolles Gespräch. "Der Zweifler", eine Bronzeskulptur aus dem Jahr 1931, zeigt Barlach von der vertrautesten Seite: Eine reduzierte, ganz auf die Idee konzentrierte, schlichte Form.
Wuchtiger, expressiver wirkt dagegen "Gottvater" von 1922, während "Schlafende Vagabunden", die noch einmal zehn Jahre früher geschaffen worden sind, eine Nähe zu Kollwitz erkennen lassen. Deren Relief "Die Klage" ist auch die "Klage um Barlachs Tod" - und eben das Zeugnis der dunklen Jahre, in denen es entstanden ist. Barlach war 1938 gestorben, das "Reich", sein "Führer" und die Gefolgschaft schwelgten im Hoch ihres Machtrauschs. Am 22. April 1945, keine drei Wochen vor dem Ende des Krieges und der Naziherrschaft, ist die Kollwitz bei Dresden gestorben.
"Ich muss mitleiden können", zitiert Jansen Barlach. Und Kollwitz: "Ich soll das Leiden der Menschen, das nie ein Ende nimmt, das jetzt übergroß ist, aussprechen." Nicht anders hat es Otto Pankok gehalten, der 1893 Geborene, der im Grauen des Ersten Weltkrieges eine unvergessliche Lektion erfahren hatte und weniger ein Querdenker als vielmehr ein radikaler Menschenfreund war.
Nach Anfängen bei den "Jungen Wilden" der Dada-Bewegung, die in heiterster Verzweiflung alle und alles infrage stellten, erweist sich Pankok später als einer, "der weiß, ,dass er seine Erdwurzeln hat, die bis ins Elementare hineingreifen‘". So zitiert Elmar Jansen Wilhelm Worringer, den großen Kunsttheoretiker der Weimarer Republik. Sein Bekenntnis zu den Ausgestoßenen, Randständigen der Gesellschaft hat Pankok, der Barlach verehrte und von diesem Anerkennung erfuhr, bei den Nazis die Qualifizierung als "Entarteter" eingetragen, ab 1937 war der Künstler mit Malverbot belegt und überstand in der inneren Emigration. Zehn Jahre später wurde er zum Professor an die Düsseldorfer Akademie berufen, wo Günter Grass zu seinen Studenten gehörte.
Dass die hallesche Schau eben auch ihn, den 1966 gestorbenen Pankok, in die inszenierte Begegnung von Barlach und Kollwitz einbezieht, macht sie noch einmal mehr interessant.
Kunstverein Talstraße, Halle, Talstraße 23, bis zum 11. Nov., Di-Fr 14-19, Sa / So 14-17 Uhr