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Kunst von nebenan Kunst von nebenan: Werke regionaler Künstler im Schloss Weißenfels ausgestellt

Von kai agthe 04.10.2014, 11:51
Metallskulpturen von Friedemann Knappe, im Hintergrund Tim von Vehs „Quadriga“.
Metallskulpturen von Friedemann Knappe, im Hintergrund Tim von Vehs „Quadriga“. peter lisker Lizenz

weissenfels - Alle drei Jahre können ausgewählte Künstler aus dem südlichen Sachsen-Anhalt ihre Arbeiten in einer großen Ausstellung zeigen. Die Orte der Triennale, die 1996 erstmals in Weißenfels zu erleben war, wechseln: Nachdem 2008 Zeitz und 2011 Merseburg Gastgeber waren, ist es nun wieder das Museum Schloss Neu-Augustusburg in Weißenfels. Um die Verbindung mit der Region an Saale, Unstrut und Weißer Elster zu unterstreichen, trägt die Schau den Titel „Alles im Fluss“.

In Muschwitz bei Lützen ist das Kuratoren-Ehepaar Brigida und Wolfgang Böttcher zu Hause, das für die Schau eine kluge Auswahl getroffen hat. Neben den 22 Akteuren aus dem süd-ländlichen Sachsen-Anhalt sind noch zwei Gäste aus der Großstadt vertreten: Uwe Pfeifer aus Halle und Gerald Müller-Simon aus Leipzig.

Widersprüche der Zeit

Pfeifer ist einmal mehr als melancholisch-ironischer Porträtist der urbanen Tristesse zu erleben. Seine Farblithografie „Glanzvolle Zeiten“ (2009) etwa zeigt zwei Litfaßsäulen, auf denen sich spärlich bekleidete junge Damen mit Colgate-Lächeln räkeln. Für die beiden Schönheiten haben die Älteren jedoch keinen Blick übrig. Dahinter schauen aber zwei Löwen (oder sind es doch Hunde?) hervor, die sich anbrüllen (oder anbellen). Pfeifer ist eben ein Meister in der Kunst, den Widerspruch zwischen Verheißung und Wirklichkeit lakonisch ins Bild zu fügen.

Einmal erliegt man einem Augentrug, weil es scheint, es hätten sich Gemälde des Impressionisten Claude Monet in die Triennale verirrt. Doch die Bilder entpuppen sich als zeitgenössische Leipziger Spielart: Die Hand, die uns lichtdurchflutete Szenen wie „Am Rosental“ (2013) und „Vorstadt“ (2014) zuteil werden lässt gehört Gerald Müller-Simon.

Die Fülle an Themen und Techniken überrascht ebenso wie die große Spanne an Lebensaltern, die hier zueinander finden. Christine Heinemann (Zeitz), die großformatige abstrakte Gemälde, Radierungen und Tuschezeichnungen zeigt, könnte die Urenkelin von Walter Weiße (Freyburg) sein, der ebenfalls abstrakte Arbeiten ausstellt.

Es ist erstaunlich, mit welch jugendlicher Frische der inzwischen 91-Jährige noch immer bei der Sache ist. Denn Walter Weiße zeigt ausschließlich Arbeiten, die in den letzten vier Jahren entstanden sind. Sie thematisieren einerseits die Landschaft um Freyburg („Heller Weinberg und Punkte im Affekt“, 2012), andererseits philosophische Themen („Diese Chaos-Sonne Jakob Böhmes“, 2014).

Surreale Mischwesen aus Mensch und Ente und ein riesiges Rhinozeros: Welche sonderbaren Skulpturen die Künstler in Weißenfels ausstellen, lesen Sie auf Seite 2.

Hans-Christoph Rackwitz (Zörnitz) vereint in seinen herrlich detailverliebten Architekturvisionen die Genauigkeit eines gotischen Kathedral-Baumeisters mit surrealer Fantasie.

Ganz im Mythischen wurzeln die Plastiken von Roland Lindner (Hollsteitz). Sein „Widder“ ist ebenso ein Tiermensch wie die Statuette „Tierische Leidenschaft“ (beide 2013). Letztere ist ein surreales Mischwesen: Ein Entenkopf sitzt auf einem Menschenkörper, der mit Vogelkrallen statt Füßen andächtig ausschreitet.

Nicht ohne Witz ist ein Objekt, das wegen seiner schieren Größe an ein Horn vom Rhinozeros erinnert. Bei Roland Lindner ist es aber der „Zahn der Zeit“. Wie zerknautschtes Papier wirken die massiven Eisen-Skulpturen („Paar“, 2011 und „Jeder trage des anderen Last“, 2012) und fragilen Blech-Statuetten des Merseburgers Klaus-Dieter Urban.

Ein besonderer Blickfang ist sein „Petrus – Menschenfischer“ (2014), der im Begriff ist, ein Netz aus Drahtgeflecht auszuwerfen. Friedemann Knappe ( Lieskau) wiederum favorisiert bei seinen Stahlskulpturen das Wechselspiel klarer geometrischer Formen.

Das Pferdebild war im 19. Jahrhundert ein beliebtes Genre. Wie man sich diesem Thema Anfang des 21. Jahrhunderts nähern kann, zeigt Joachim Hering (Zeitz), der auf vier Gemälden die Dynamik des Reittieres expressiv in Szene setzt. Anders Tim von Veh, der auf seinem Vierteiler „Quadriga“ nicht wie Hering die Eleganz des Tieres betont, sondern nur vier gewaltige Hinterteile abbildet.

Porträts im Turmzimmer

Veh führt den Besucher auch buchstäblich in das Turmzimmer: Als ein Band aus fantastischen Motive zieht sich sein „Teatro Mundi“, eine an die Wände des Treppenhauses geklebte Radier-Installation, bis unters Dach. Das Turmzimmer muss gesehen haben, wer die Triennale aufsucht, weil es einerseits nicht immer zugänglich ist und andererseits die Größe eines Tanzsaales hat. Dort vereint sind unter dem Titel „Als die Künstler laufen lernten“ Arbeiten aller Beteiligten aus deren Kinder- und Jugendzeit: von der frühen Zeichnung bis zum ersten veritablen Kunstwerk.

Nur die Beschriftung bei Christina Simon (Weißenfels) ist leicht variiert und lautet „Wo die Künstlerin laufen lernte“. Sie zeigt den für ein Jugendwerk erstaunlich reifen Linolschnitt-Zyklus „Gasthaus Zur Post Markröhlitz“. Im Turmzimmer sind auch Porträts der Triennalisten gruppiert, die der Fotograf Carlo Böttger (Tröglitz) aufgenommen hat. Ihm war es wichtig, die Akteure in ihrer liebsten Umgebung zu zeigen. Das ist oft, aber nicht ausschließlich, das heimische Arbeits- und Lebensumfeld. Sehr schön ist die Aufnahme von Iris Bodenburg (Lieskau), die in Weißenfels von ostasiatischer Kunst inspirierte Aquarelle ausstellt.

Auf dem Bild von Böttger steht sie vor einem Großaquarium, in dem sich mehrfarbige Karpfen tummeln. Schildchen an diesen Bildern wären freilich sehr hilfreich gewesen, da kaum ein Besucher jedem Künstlergesicht auf Anhieb auch einen Namen zuordnen kann – und nicht immer der Triennale-Katalog zur Hand hat.

Das in kräftige Farben getauchte Begleitbuch, das der hallesche Grafiker Lutz Grumbach gestaltete, überzeugt durch gestochen scharfe Reproduktionen ausgewählter Kunstwerke. Leider sind die Texte nachlässig redigiert. Jeder Künstler hatte zwei Fragen zu beantworten: Zu seiner Provinz und ob man das Leben in der Metropole vermisse. Themen, die im mobilen Zeitalter irrelevant sind, wie die verlegenen Antworten zeigen. Der Einführungstext von Brigida und Wolfgang Böttcher wiederum wäre besser eng am Thema geblieben. (mz)

Bis zum 25. Januar, Di-So 10-16 Uhr; der Katalog kostet 4,90 Euro.