1. MZ.de
  2. >
  3. Kultur
  4. >
  5. Kunst: Kunst: Umstrittener «Hexenmeister» Anselm Kiefer wird 60

Kunst Kunst: Umstrittener «Hexenmeister» Anselm Kiefer wird 60

Von Hanns-Jochen Kaffsack 02.03.2005, 07:14
Der deutsche Maler Anselm Kiefer nimmt in Tokio seinen Kunstpreis Praemium Imperiale aus den Händen eines Vorstand der Japan Art Association entgegen (Archivfoto vom 28.10.1999). Seine Werke brechen lieb gewordene Tabus, loten große Mythen der Menschheit aus und suchen in einer als absurd empfundenen Welt nach Bausteinen der Erinnerung. Kiefer, der in Deutschland so umstritten ist wie anderswo anerkannt, lebt in Nimes am Fuße der südfranzösischen Cevennen. Dort baut der Künstler, der am kommenden Dienstag (8. März) 60 Jahre alt wird, auf seinem 35 Hektar großen Ateliergelände seit mehr als einem Jahrzehnt an einem riesigen Gesamtkunstwerk aus Installationen, unterirdischen Kammern, Glasbauten und Hangars. (Foto: dpa)
Der deutsche Maler Anselm Kiefer nimmt in Tokio seinen Kunstpreis Praemium Imperiale aus den Händen eines Vorstand der Japan Art Association entgegen (Archivfoto vom 28.10.1999). Seine Werke brechen lieb gewordene Tabus, loten große Mythen der Menschheit aus und suchen in einer als absurd empfundenen Welt nach Bausteinen der Erinnerung. Kiefer, der in Deutschland so umstritten ist wie anderswo anerkannt, lebt in Nimes am Fuße der südfranzösischen Cevennen. Dort baut der Künstler, der am kommenden Dienstag (8. März) 60 Jahre alt wird, auf seinem 35 Hektar großen Ateliergelände seit mehr als einem Jahrzehnt an einem riesigen Gesamtkunstwerk aus Installationen, unterirdischen Kammern, Glasbauten und Hangars. (Foto: dpa) dpa

Paris/dpa. - Seine Heimat hat der in Donaueschingen geborene Schüler von Joseph Beuys 1992 für einen Neuanfang verlassen. Später siedelte sich derMann, der in Deutschland so umstritten ist wie anderswo anerkannt, ineiner alten Seidenfabrik bei Nîmes am Fuße der südfranzösischenCevennen an. Dort baut der Künstler, der am Dienstag (8. März) 60Jahre alt wird, auf seinem 35 Hektar großen Ateliergelände seit mehrals einem Jahrzehnt an einem riesigen Gesamtkunstwerk ausInstallationen, unterirdischen Kammern, Glasbauten und Hangars.

In den USA gilt der Nachkriegs-Deutsche mit dem Hang zum Mystischen und Monumentalen als Parade-Beispiel einer ehrlichenVergangenheitsbewältigung, die bedeutendsten Museen reißen sich umseine Werke. In Kiefers Wahlheimat Frankreich nennt man ihn einen«Hexenmeister» oder auch den «Dürer des 21. Jahrhunderts», was auchzeigt, wie schwer sich der zurückhaltende Künstler mit seinen Werkenvon einsamem Rang einordnen lässt. Kiefer, der neben Georg Baselitz,Gerhard Richter und Markus Lüpertz zu den international anerkanntendeutschen Künstlern der Gegenwart zählt, ist ein «Schwergewicht derzeitgenössischen Kunst» («Le Point»), der sich wie kein anderergefragt habe, «wie und was man nach Auschwitz noch malen kann».

Kiefer wollte aber kein «Spezialist für den Holocaust» werden. InDeutschland einst wegen seiner ironischen und dennoch vielschichtigenAuseinandersetzung mit der Nazi-Vergangenheit sowie mit den deutschenMythen und der Geschichte einer «zweideutigen Nostalgie» beschuldigt,hat Kiefer seinen Blick und seine Themenpalette nach dem Weggang vomIrdischen zum Kosmischen hin erweitert. Er baute «Himmelspaläste» undmalt «Sternenlager» statt der früheren «Dachboden»-Bilder und setztesich in dem Kapellengewölbe der Pariser Salpêtrière im Jahr 2000 inbeeindruckenden Werken mit der jüdischen Kabbala-Mystik auseinander.

Die französische Kulturakademie zeigt noch bis zu KiefersGeburtstag in ihrer römischen Villa Medici dessen Sternenbilder ausAcryl und Lack, dazu Frauen-Skulpturen mit Metall und Stacheldraht,Stroh und Holz. Und die Fondation Lambert im südfranzösischen Avignonbereitet eine Retrospektive für den Sommer vor. In Deutschland hat esschon länger keine große Einzelschau mit seinen Bildern mehr gegeben.

Nach seinem Studium bei Peter Dreher, Horst Antes und in derBeuys-Klasse an der Düsseldorfer Akademie (1970-72) begann Kiefer,die klassische Historienmalerei umzustülpen, die Helden und Feldherrnzu verbannen und stattdessen an verbrannte Erde, Leid und Vernichtungzu erinnern. Reliefartige Gemälde sowie großformatige Bleiskulpturenentstanden. Von Ende der siebziger Jahre an machten Ausstellungen dasWerk vor allem auch in den USA einem faszinierten Publikum bekannt.

Deutschland habe er keinesfalls aus politischen Gründen verlassen,sondern aus rein persönlichen, wird Kiefer nicht müde zu betonen. Erkonnte die von ihm erträumte Stiftung «Zweistromland» im Odenwaldnicht verwirklichen, wollte eine Malpause und suchte den Wandel inseiner Kunst - die Erweiterung. Dieser Schritt sollte ihm glücken.