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Kunst sehen lernen: Das Sammlerpaar Bauer

23.08.2016, 08:28

Dresden - Kunst statt Weinberg: Stephan Balkenhols „Männerkopf” steht im Wintergarten. „Das Material ist nicht witterungsbeständig”, sagt Barbara Bauer. Dabei würde das riesige Porträt gut zu „Mirjam” passen, der Dame aus Eiche einer Schweizer Künstlerin am Gartenhaus des Anwesens der Juristin und ihres Mannes im Dresdner Nobelviertel Weißer Hirsch.

Auch eine Arbeit aus Mooreiche von Hans Brockhage braucht Schutz im Innenraum. 47 andere, teils tonnenschwere Exponate indes sind im weitläufigen, rund 5000 Quadratmeter großen Garten in Hanglage arrangiert.  

Von der Straße aus sichtbar ist die scheinbar mit Skorpionen ringende Figur aus Kortenstahl - unverkennbar ein A.R. Penck. „Sie sieht im wechselnden Licht über den Tag immer anders aus”, sagt Rechtsanwalt Axel Bauer. Auch das „Zeichen” von Stephan Plenckers auf dem Vordach des Hauses macht klar, dass hier Kunstliebhaber wohnen. „Meine Mutter war Malerin, mein Onkel Heinrich Brocksieper Bauhaus-Künstler.” Ihre Werke bildeten den Grundstock der mittlerweile rund 80 Arbeiten umfassenden Kollektion der Bauers.

„Mit der Kunst haben wir angefangen, als die Kinder groß genug waren”, sagt die 68-Jährige. Davor fehlte die Zeit dafür. Gesammelt wird nach der Maxime: „Was uns nicht gefällt, kommt nicht ins Haus.” Bis auf einen Bronzekopf von Hanns Bolz von 1915 haben die Bauers ausschließlich Nachkriegskunst erworben. „Sie haben sich dem Ort angenähert, wo sie leben, und mit regionalen Künstlern angefangen, dann auch nationale und zuletzt internationale dazu geholt”, sagt der frühere Direktor der Galerie Neue Meister und Freund Ulrich Bischoff.

Der erste Ankauf für einen Skulpturengarten 1997 war Zufall: das Werk „Sieben” aus meterhohen Holzsäulen von Fritz-Peter Schulze aus dem nahen Radebeul. Nach und nach füllte sich das Areal, das laut der Sammlerin „zum Gärtnern nicht taugt”, mit Kunst - erworben aus Auktionen, von Galerien oder aus den Ateliers ihrer Schöpfer. Der Hausherr checkt begeistert immer wieder das Internet.

Zwischen Efeu und wilden Erdbeeren stehen Arbeiten ortsansässiger Künstler wie Karl-Heinz Adler, Peter Makolies oder Eberhard Göschel, aber auch internationalen Kollegen wie Andreu Alfaro, Tony Cragg und David Nash. Für dessen „Black Dome” bauten die Bauers eigens ein Podest. Das Spektrum der Objekte reicht von einer ausgehöhlten „Nuss” aus Eichenholz über ein Windspiel oder eine Installation mit Raben bis zu einem fast zehn Meter messenden schwingenden Titanstab. 

„Ich will zeigen, dass die dreidimensionale Kunst im 21. Jahrhundert etwas ist, was voranschreitet und Potenzial hat”, sagt die frühere Staatsanwältin. Entscheidend bei der Auswahl sind der Standort und die Blickachsen. „Wir sind uns fast immer einig, das Gestalten aber ist Sache meiner Frau”, sagt der 69-Jährige. Dabei sammeln sie anders als viele andere nie in Konkurrenz zu Museen und „nicht querfeldein”, sondern systematisch und mit hohem Anspruch an die Qualität, sagt Bischoff. Ihre Kennerschaft sei von Erwerbung zu Erwerbung gewachsen.

„Man sieht sich in die Qualität ein”, erklärt Barbara Bauer, die 1993 mit Mann und Kindern von Hamburg nach Dresden zog. Ihr Mann arbeitete damals für eine US-amerikanische Wirtschaftskanzlei. 1994 gründeten sie die Gesellschaft für moderne Kunst, die die Galerie Neue Meister fördert und durch die Geschichte gerissene Lücken in der Sammlung füllt - mit Schenkungen, Leihgaben und Ankäufen auch zeitgenössischer Kunst - und wichtige Ausstellungen möglich macht. 

„Erst kürzlich ist innerhalb von zwei Tagen so viel Geld zusammen gekommen, dass ein nicht finanzierbares Projekt realisiert wird”, erzählt die Direktorin des Albertinums bei den Staatlichen Kunstsammlungen, Hilke Wagner. „So etwas habe ich in dieser Form noch nie erlebt.” Auch dabei kaufen Bauers nicht nach dem Verzeichnis der teuersten Kunstwerke. „Sie unterstützen Sachen, die für das Museum auch wirklich von Bedeutung sind”, sagt Bischoff. „Es bräuchte mehr von solchen Sammlern und Mäzenen.” (dpa)