Kunst Kunst: Raubkunst-Streit um Picassos «Madame Soler»
München/Berlin/dpa. - Wer ist der rechtmäßige Besitzer? Um einGemälde Pablo Picassos in der Pinakothek der Moderne in Münchenistein handfester Streit entbrannt. Die Erben des jüdischenKunstsammlers Paul von Mendelssohn-Bartholdy erheben schwereVorwürfe: Das Gemälde «Madame Soler» soll Nazi-Raubkunst sein. «Eshandelt sich ganz klar und eindeutig um einen verfolgungsbedingtenVerkauf», sagt der Sprecher der Erbengemeinschaft, der HistorikerJulius Schoeps, am Montag der Nachrichtenagentur dpa. «Der moralischeAspekt muss geklärt werden.»
Mit der Washingtoner Erklärung von 1998 haben sich dieunterzeichnenden Staaten - darunter Deutschland - verpflichtet,Nazi-Raubkunst zu identifizieren, die rechtmäßigen Besitzer ausfindigzu machen und die Werke entweder zurückzugeben oder eine faire Lösungzu finden. Auf diese Erklärung pocht Schoeps, der für die Klärung diesogenannte Limbach-Kommission zur Schlichtung vonRaubkunst-Streitigkeiten anrufen will.
Die Pinakotheken wiesen seine Vorwürfe, über die zuvor «DerSpiegel» (Montag) und «Spiegel online» berichtet hatten, entschiedenzurück. «Aufgrund der uns vorliegenden Dokumente und auf Grundlageder Recherche lehnten die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen 2010die Restitutionsforderung der Erben nach Mendelssohn-Bartholdy ab, dasie der Ansicht sind, dass es sich nicht um einenverfolgungsbedingten Verkauf handelt», heißt es in einer Mitteilungvon Generaldirektor Klaus Schrenk von Montag, in der er den Weg desBildes detailliert nachzeichnet. «Dann stimmen ihre Dokumente nicht -wir haben andere», sagt dagegen Schoeps.
Der jüdische Bankier Paul von Mendelssohn-Bartholdy aus Berlinwar Neffe des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy, Nachfahre desAufklärungs-Philosophen Moses Mendelssohn und passionierterKunstsammler. Bis 1935 gehörten ihm unter anderem mehrere Gemälde vonPablo Picasso (1881-1973). Kurz vor seinem Tod verkaufte erzahlreiche Werke aus seiner Kunstsammlung an den jüdischenKunsthändler Justin K. Thannhauser.
Dies sei unter dem Druck der Verfolgung durch dieNationalsozialisten geschehen, betont Schoeps. Mendelssohn-Bartholdysei schon 1933 ins Visier der Nazis geraten und zwei Jahre später ineiner finanziellen Notlage gewesen. Die Forderungen derErbengemeinschaft beziehen sich auf insgesamt 16 Werke, die heuteüber die ganze Welt verteilt seien.
Mit dem Museum of Modern Art (MoMa) und dem Guggenheim-Museum inNew York hat die Erbengemeinschaft bereits Vergleiche geschlossen -«weil das Gericht uns recht gegeben hat», sagt Schoeps, «umGerichtskosten zu vermeiden», schreibt Schrenk. Die Erbengemeinschafthatte im Jahr 2008 die Rückgabe der Werke «Junge mit Pferd» und «DieMühle von La Galette» gefordert. Damals hatte Schoeps gesagt: «Esgeht um Gerechtigkeit.»
Im Jahr 2010 wurde auch der langjährige Streit um das «Porträt desAngel Fernández de Soto» - auch «Der Absinthtrinker» genannt -beigelegt. Die Erbengemeinschaft erklärte nach einem vertraulichenVergleich mit der Andrew Lloyd Webber Kunststiftung in New York denVerzicht auf das wertvolle Gemälde. Nach einer Klageandrohung vonSchoeps, der auch Leiter des Moses-Mendelssohn-Zentrums in Potsdamist, hatte das Londoner Auktionshaus Christie's das Porträt 2006 voneiner Versteigerung zurückziehen müssen.
Museumschef Schrenk, dessen Häuser bis heute acht Werke ausehemals jüdischen Sammlungen zurückgegeben und eine eigenes Referatfür Provenienz eingerichtet haben, betont, Mendelssohn-BartholdysWitwe Elsa von Kesselstadt und auch ihre Nachkommen hätten bis 2009nie Anspruch auf «Madame Soler» erhoben - auch wenn sie andereRestitutionsforderungen durchaus formuliert hätten. «Seit ein paarJahren scheint es so zu sein, dass die Provenienzforscher inDeutschland auf der Seite der Museen stehen. Die Erben werden sofortals geldgierig unter Generalverdacht gestellt», sagt Schoeps.