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Kunst in Leipzig Kunst in Leipzig: Sachsen streitet über Sachs

Von Günter Kowa 14.05.2008, 19:49

Leipzig/MZ. - Der Bau ragte lange als wuchtiger, nackter Betonturm über die öde Fläche, deren Bebauung an drei der vier Ecken weiterhin auf sich warten lässt. Von der gläsernen "Haut" des Gebäudes sah man nichts als das stählerne Gerüst, da nach einer Firmenpleite der Einbau der Vorhangfassade stecken blieb.

Vom ersten Besucheransturm bei der Eröffnung dauerte es bis zum vergangenen Jahr, dass bei der Max-Klinger-Ausstellung wieder Rekordzahlen gemeldet werden konnten. Dass Museumsdirektor Hans-Werner Schmidt einen neuen Publikumsrenner suchte, war nur zu verständlich. Und so erzählt er gerne von seiner Idee, bei Gunter Sachs anzufragen, der als Lebemann, Filmer, Fotograf, Kunstsammler und vor allem als Frauenheld eine Gestalt vom Star-Boulevard ist und die Aufmerksamkeit breiten Publikums garantiert.

Sachs beantwortete die Anfrage enthusiastisch und die beiden Männer verstanden sich nach eigener Aussage so fantastisch, dass Schmidt das für Wechselausstellungen vorgesehene Untergeschoss mit der Fläche von 2 000 Quadratmetern dem Büro Sachs komplett überließ.

"Die Kunst ist weiblich" ist da nun zu erfahren - und Schmidt kann frohlocken: 36 000 wollen das wissen, das sind knapp über die Halbzeit schon fast so viele Besucher wie bei Max Klinger. Sogar das Publikum aus den Gartenkolonien will man beobachtet haben, das vorher nur über den "Betonklotz" gelästert habe. Zehntausende, sollte man meinen, können nicht irren, aber das Museum hat dennoch ein Problem. In die nicht durchweg negative Presseresonanz mischen sich Töne, die nicht nur die ausgestellte Kunst, sondern auch die Verknüpfung mit dem traditionsreichen Haus in Frage stellen.

Denn dieses hat so gut wie keinen Anteil an der Präsentation, die von der Auswahl über die Gestaltung bis zur Kommentierung allein von Sachs und seinem Büro verantwortet ist. Direktor Schmidt sah offenbar Erklärungsbedarf, und so lud er kürzlich mit Leipzigs Kulturdezernent Georg Girardet und dem Vorstandsmitglied des Fördervereins, Wolf-Dietrich Speck von Sternburg, zum Pressegespräch.

Man schart sich um einen Tisch in der Ausstellung, umgeben von einer der endlosen Fotostrecken langbeiniger Aktmodels in mediterraner Naturkulisse. Von der Presse scheinen tatsächlich nur die Kritiker gekommen zu sein. Ihre Einwände zur uferlosen Auswahl und der allein auf die Person Sachs zugeschnittenen Darstellung kreist letztlich um den Vorwurf, das Haus habe seine wissenschaftliche Aufgabe vernachlässigt. Vielmehr pflege der alternde Medienstar seinen eigenen Mythos, und das Museum gebe seinem Werk die höhere Weihe.

Die Argumente perlen am unerschütterlichen Lächeln des Museumsdirektors, an den Beschwichtigungen vom Kulturdezernenten und vom Fördervereinsvorsitzenden, vor allem aber an der Pokerface-Front der Sachs-Mannschaft ab, die wie schon bei der Eröffnungs-Pressekonferenz in Teamstärke angerückt ist. Die Contenance verliert kurzzeitig nur Hendrik Stängle, der sich als der Architekt Gunter Sachs' und als der Ausstellungsdesigner vorstellt. Da werde ein Mensch von Ignoranten angegriffen, faucht er und verlässt wutschnaubend den Raum.

Dergleichen Gefühlsausbrüche sind dem "Medienberater" von Sachs wesensfremd. Der Herr mit dem gegelten Haar heißt Ralf Missy und betont fortwährend, dass der angebliche Playboy Gunter Sachs in der persönlichen Begegnung ein völlig anderes Bild abgebe als das medial vermittelte. Und darin liege die Berechtigung dieser Ausstellung, dass sie "den Menschen Sachs in seinem Facettenreichtum" verdeutliche. Schmidt assistiert: "Hier haben wir die Signatur eines Menschen, der die Zeit geprägt, der kosmopolitisches Leben gepredigt und praktiziert hat, während in Westdeutschland alle am Wirtschaftswunder arbeiteten."

Doch wie schon bei der Eröffnungspressekonferenz gibt es Eiertänze um ein signifikantes Detail. Im Material zur Ausstellung wird wiederholt, was Sachs in seiner Autobiografie behauptet: Dass er 1972 in seiner damaligen Hamburger "Galerie an der Milchstraße" das Werk von Andy Warhol "erstmals in Europa" vorgestellt habe.

Dass das barer Unsinn ist angesichts eines halben Dutzends großer Ausstellungen von Galerien und Museen seit 1964 in Paris, Köln, Stockholm und etlicher anderer Städte in Europa, haben Schmidt und Missy erst kleingeredet, und nun versuchen sie es mit immer neuen Erklärungen: Sachs habe ihm von Künstler zu Künstler "die Tür aufgestoßen", ihn erst dadurch beim Publikum eingeführt.

Am Beispiel Warhol erweist sich aber die ganze Fragwürdigkeit dieser gänzlich von außen gesteuerten Darstellung im Leipziger Bildermuseum: Sie breitet nur das aus, was Sachs auf der intellektuellen Fallhöhe seiner Autobiografie von sich selbst preisgibt - von Interesse mehr für den Psychologen als für den Historiker. Das Museum steuert nicht einmal einen Katalog bei, denn es wird nur eine Bilddokumentation der Ausstellung mit wohlwollender Einführung geben.

Schmidt verrät am Ende auch, dass Sachs dem Haus durchaus nichts geschenkt hat - insgesamt 160 000 Euro geben Stadt, Museum und Förderverein für Organisation und Werbung aus. Die Deutungshoheit aber liegt allein bei Sachs.

"Gunter Sachs: Die Kunst ist weiblich": bis 22. Juni. Di und Do bis So 10-18 Uhr, Mi 12-20 Uhr, Mo geschlossen, Feiertage von 10 bis 18 Uhr